Ein Buchstabe ging unter
Der Urgrund des Problems bei der s-Schreibung in Cornelissen liegt darin, dass es heute den handschriftlichen Doppel-Buchstaben der lateinischen Schrift für einen s-Laut nicht mehr gibt und hierfür auch kein Druckbuchstabe existiert. Das führte zu der Frage, was an die Stelle dieses veralteten Buchstabens treten sollte. Im Jahrgang 1983 (5, S. 128ff.) der Zeitschrift Das Standesamt ist hierzu eine Abhandlung von Amtsrat Dipl.-Komm. Heinrich BORNHOFEN aus Bonn veröffentlicht. Danach gehört die Frage nach der Wiedergabe des zu den
"Evergreens der im Personenstands- und Namensrecht behandelten Themen".

Wie Bornhofen ausführt, wird seit Beginn des 19. Jh. das deutsche Namensrecht von dem Grundsatz beherrscht, dass der Familienname sich in der bestehenden Form vererbt und unveränderbar ist. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Schreibweise, so wird grundsätzlich auf ältere Personenstandseinträge zurückgegriffen, um aus ihnen die gebräuchlich gewordene Schreibweise herzuleiten.
Laut Bornhofen und anderer Fachleute gehört das der lateinischen Schrift zu den Schriftzeichen, die sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts aus bereits früher verwendeten Zeichen entwickelt haben. ist aus dem langen und dem kurzen lateinischen s ( + ) entstanden. Die Ähnlichkeit zwischen dem h (= ) in der deutschen Schrift und dem früheren "langen s" in der lateinischen Schrift ist rein zufällig. Es sei demnach falsch, das handschriftliche Zeichen als "ha-es" zu bezeichnen, wie dies häufig zu beobachten sei. Das (fälschlich "ha") der lateinischen Schrift ist erst im 19. Jh. durch eine bogige Schreibung des "langen s" = der deutschen Schrift entstanden.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich schon, dass die Schreibweise
Cornelihsen und Cornelisen

Fehlentwicklungen sind.

Hie Staat - hie Kirche
Die katholische Kirche respektiert anscheinend das Individuum mehr als der Staat, selbst wenn sie in amtlicher Eigenschaft handelt:
Im Familienbuch der Cornelissen aus Dortmund/Unna ist bei den Eintragungen des Standesbeamten - Heiratsurkunde und Geburtsurkunde der Söhne Jan und Nils - der Name Cornelissen mit ß geschrieben.
In demselben Familienbuch weisen die Urkunden kirchlicherseits über die kirchliche Trauung sowie über Taufe und Erstkommunion von Nils Cornelissen den Namen jeweils mit ss aus.


Als Ausweg ss oder ß schreiben?
Solange die Eintragungen im Personenstandsbuch handschriftlich erfolgten, hielten sich die Probleme mit der s-Schreibung in Grenzen. So konnte man z. B. Cornelissen weiter mit schreiben. Machte man aber die Eintragung maschinenschriftlich, musste man sich für ein bestimmte Schreibweise entscheiden. Nach einer noch heute geltenden Dienstanweisung (§ 57 Abs. 2, Beil.BAnz. Nr. 85 vom 7.5.1968) solle der Standesbeamte bei Unklarheiten wegen der Schreibweise des die Schreibweise anwenden, die einem der Einträge entspricht und gebräuchlich geworden ist. Wie Bornhofen mitteilt, wurde in Schrifttum und Rechtsprechung zunächst überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei machinenschriftlichen Eintragungen das Zeichen stets mit ß wiederzugeben sei.
Eine solche Regelung konnte aber in einer Reihe von Fällen nicht befriedigen. Das Oberlandesgericht Hamm trug diesen Bedenken durch einen Beschluss vom 4.10.1978 Rechnung, dessen Kernsatz lautete:
"Das Problem kann indessen nicht allein in der Weise gelöst werden, daß man das "ss" oder das "ß" als Nachfolgebuchstaben des früheren ansehen könnte. Vielmehr ist die Entscheidung im Einzelfall nach den sprachlichen und grammatischen Regeln der deutschen Sprache und Rechtschreibung zu treffen."
Auf diesen Beschluss hin ließ das Bundesinnenministerium von der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. in Wiesbaden eine Stellungnahme zu dem Problemkreis einholen. Darin heißt es:
"Das nicht mehr gebräuchliche handschriftliche Zeichen ist zur Wiedergabe eines s-Lautes ungeeignet. Dafür sind die zutreffenden Schriftzeichen ss oder ß nach den folgenden Empfehlungen zu verwenden:
1. ß steht im Zweifelsfalle für
1.1 im Inlaut bei Namen mit langem Vokal und nach Diphthong.
1.2 im allgemeinen im Auslaut aller Namen.
2. ss steht im Zweifelsfalle für im Inlaut bei Namen mit kurzem Vokal. Beispiele: Bessel, Busse, Esser, Schlosser, Wessel, Wissner.
3. ...."
Entsprechend den Ausführungen unter 2. war damit von den Regeln her die Schreibung von Cornelissen entschieden: Wie bei den Beispielsfällen ist er seitdem mit ss zu schreiben.
Eine ähnliche Regelung war bereits 1979 in Österreich getroffen worden.


Heiratsurkunde vermasselt
Im April 1953 heiraten auf dem Standesamt Essen-Borbeck Helmi Cornelissen und Günter Noll. Trauzeugen sind Helmis Bruder Jupp (der Verfasser) und ein Freund von Günter. Nach der Trauung haben die Beteiligten die vorbereitetete Heiratsurkunde zu unterschreiben. Helmi als Frischvermählte unterschreibt: Wilhelmine Noll, geb. Cornelissen. Daraufhin herrscht die "Schreibdame" sie an: "Können Sie denn Ihren Namen nicht schreiben? Cornelissen wird mit scharfem s geschrieben." Unwirsch fertigt sie dann eine neue Heiratsurkunde an. Auf der unterschreibt dann Helmi - wohl zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben - mit Cornelißen. Jupp als Trauzeuge zeichnet dann widerwillig ebenfalls in dieser für ihn ungewohnten Schreibweise mit ß.


Was sagt der Duden?
Zum Abschluss sei zitiert, was heute der Duden zu dem Problem sagt. Band 9: Richtiges und gutes Deutsch, Ausgabe 1997, widmet den s-Lauten ein ganzes Kapitel und bemerkt dazu eingangs selbst, dass deren Wiedergabe "sehr kompliziert" sei. Speziell zum heißt es dort (unverändert gegenüber der Ausgabe von 1990 vor der Rechtschreibreform):

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