St. Cornély in der Bretagne

Neben Kornelimünster ist die Bretagne in Frankreich Schwerpunkt der Verehrung von Papst Cornelius. Hier heißt er - auf bretonisch - Cornély (oder Cornéli) und ist der populäre Schutzheilige des Hornviehs. Diese Funktion verdankt er allein seinem Namen. Da Horn auf französisch corne heißt, war es nur nahe liegend, ihn zum Schutzpatron der Rinder, der bêtes à cornes, also der Stiere, Ochsen und Kühe zu bestellen. Für eine andere Beziehung der Bretagne zu diesem Heiligen gibt es keinerlei Anzeichen. Vielmehr wird weithin angenommen, dass in der Bretagne ursprünglich ein heidnischer Kult um das Rind bestand und die christlichen Missionare - wie auch von anderen Orten vielfach belegt - diesen Kult nicht bekämpft, sondern in christliches Brauchtum überführt haben.

Letzte Überreste des Dionysos-Kultes?
Wie in diesem Umfang sonst nirgends auf der Welt findet man in der Bretagne Monumente aus der Steinzeit, meistens aus dem Neolithikum, insbesondere aus der Zeit von etwa 3.000 bis 2.000 v. Chr. Dies vor allem im Raum Carnac, wo dem heiligen Cornély die Kirche geweiht ist.



Die Steinalleen von Le Ménec bei Carnac (Ansichtskarte 1991).



Möglicherweise reicht der Kult des Hornviehs bis in diese Zeit zurück. In den Mystères de Bretagne, 1989, stellt die Autorin Nathalie MERRIEN die Frage, wie weit zwischen corne, Cornély und Carnac eine Verbindung besteht. Nach ihrer Auffassung geht die Verehrung von St. Cornély auf einen uralten Stier-Kult zurück. Ein Volk aus dem Mittelmeerraum, das vor etwa 5.000 Jahren in die heutige Bretagne einwanderte und die Steindenkmäler errichtete, habe ihn mitgebracht. Die Verehrung des heiligen Cornély könne eine der letzten Überreste des antiken Dionysos-Kultes sein, der dem indischen Shiva-Kult entspreche. Bereits 1897 hatte im Répertoire Générale de Bio-Bibliographie Bretonne der Verfasser René KERVILER die Meinung geäußert, die Cornély-Verehrung in der Bretagne sei eine Christianisierung des uralten Kultes um den Stier Apis, den altägyptischen Fruchtbarkeitsgott. In der Bretagne hätten nämlich zur Zeit der römischen Herrschaft ägyptische Garnisonen gelegen. Auch habe man ein kleines Apis-Rind in Bronze bei den Grabungen nahe Carnac gefunden. In einer neueren Schrift über die Kirche von Carnac Saint-Cornély et son église von René AUFFRET wird als Beleg für einen alten heidnischen Tierkult ebenfalls auf dieses kleine Bronzerind aus gallo-römischer Zeit hingewiesen; weiterhin seien schon in den Dolmen, den steinzeitlichen Grabanlagen, eingemeißelte Zeichen in Form von Hörnern gefunden worden. In der Tat gab es schon etwa um 3.000 v. Chr., insbesondere bei den Sumerern, einen weit verbreiteten Kult um den Stier. Es wird angenommen, dass der Stier die Zeugungskraft des Mannes symbolisierte und es sich somit um eine Art Fruchtbarkeitskult handelte. Jedenfalls nahm das Hornvieh schon in der Altsteinzeit eine besondere Stellung in den damaligen Zivilisationen ein. Davon zeugen die Felszeichnungen von vor 14.000 Jahren in der Höhle von Pileta bei Ronda in Andalusien und später in der Höhle von Lascaux in der Dordogne.

Verdrängung der bretonischen Viehpatrone?
Etwas anders sieht Prof. Zender die Entwicklung des Cornelius-Kults in der Bretagne. Ausgehend von dessen Verehrung südlich der Loire sei diese "offensichtlich loireabwärts und von der Loiremündung über See nach Carnac" gekommen. Cornelius gehöre dort zu jener Heiligengruppe, die gegenüber den bodenständigen bretonischen Heiligen in Zusammenhang mit der politischen Entwicklung des Mittelalters an Raum gewann, die keltischen Heiligen verdrängte oder auf Reliktgebiete zurückwarf. Die Verehrung des hl. Cornelius müsse gerade in jener Zeitstufe besonders im Vordergrund gestanden haben, in der sich die Entwicklung vom bodenständigen keltischen zum fremden fränkischen und römischen Heiligen vollzog, denn nur auf diese Weise lasse sich das besonders starke Eindringen von Cornelius in der Bretagne erklären. So sei der ursprüngliche Viehpatron der Bretagne St. Herbot auf den Reliktraum von Finisterre und Côtes du Nord zurückgedrängt worden.


"Soldaten des hl. Cornély"
Vielleicht ist es die mangelnde historische Erklärung für die Cornély-Verehrung in Carnac, die zusammen mit den dortigen rätselhaften Steinalleen zu einer populären Legende geführt haben. Diese so genannten Alignements sind fast 3.000 aufrecht stehende Granitfelsen, Menhire genannt, aus der jüngeren Steinzeit, die sich auf drei Feldern in elf Reihen über die hügelige Ebene nördlich und nordöstlich von Carnac hinziehen und in einem Halbkreis von 4 m hohen Steinriesen enden. Nirgendwo sonst findet man eine solche Konzentration von Zeugnissen der Zivilisation des Steinzeitmenschen wie bei Carnac. Sie gelten als das "größte steinzeitliche Monument der Welt". Die vor etwa 4.000–5.000 Jahren aufgestellten Steine, über deren Bedeutung die verschiedensten Theorien in Umlauf sind, werden entsprechend der Legende auch vielfach "Soldaten des heiligen Cornély" genannt. Das Reiseblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6.6.1991 berichtete hierzu:
"Der heilige Cornelius soll im dritten Jahrhundert, nach seiner Weigerung, dem Mars zu opfern, aus Rom in die Bretagne geflüchtet, aber schließlich dort, in der Nähe Carnacs, von einer römischen Legion gestellt worden sein. Er schickte ein letztes Stoßgebet gen Himmel. Es wurde erhört, und die heidnischen Soldaten erstarrten zu Stein. So stehen sie bis heute in militärisch strenger Ordnung zwischen den Stechginsterbüschen und Informationstafeln. St. Cornelius wurde zu St. Cornély und zum Schutzheiligen des Viehs: Noch vor kurzem führten die Bauern der Gegend ihre Herden am 13. September in einer Prozession durch die Steinalleen von Carnac. Da die geistige Verbindung der Bretonen zu ihren ältesten Vorfahren nie ganz abgerissen ist, glaubt das Volk, daß in der Heiligen Nacht sich der Bann des Cornelius löst und die gewaltigen Steine in menschlicher Gestalt zu wandeln beginnen, im nahen Floß ihren Durst stillen und baden. Jeder Mensch, der es wagt, ihnen dabei zuzusehen, würde von ihnen zermalmt werden."
Diese Legende, die sehr alt sein soll, gibt es in mehreren Versionen. Im international ausgezeichneten prähistorischen Museum von Carnac wird folgende Fassung auf einer Tafel wiedergegeben:
St. Cornély war Papst in Rom, von wo er durch römische Soldaten vertrieben wurde, die ihn verfolgten. Er zog vor ihnen her, begleitet von zwei Ochsen, die seine Habe trugen. Eines Abends gelangte er zu dem Dorf le Moustoir (bei Carnac), wo er anhalten wollte. Aber als er einen jungen Mann sah, der seinen Vater schlug, und ein Mädchen, das seine Mutter beschimpfte, beschloss er, seines Weges weiter zu ziehen. Kurz darauf kam er auf einem großen Berg an, wo er vor sich das Meer hatte und hinter sich, aufgereiht in Schlachtordnung, die nachdrängenden Soldaten. Da er nicht weiter gehen konnte, hielt er an und verwandelte die ganze Armee in Steine. Das sind die Steinalleen. Die abseits stehenden Menhire sind Soldaten, die sich verspätet hatten, wie der Menhir von Krifol, der einen Soldaten darstellt, der zurückgeblieben war, um süße Milch im Dorf Kerlaun zu trinken.

Die Kirche von Carnac
Der Hauptort für die Verehrung des heiligen Cornély ist die ihm geweihte Kirche in Carnac (1999 etwa 4.400 Einwohner) in der Diözese Vannes. Neben Kornelimünster gibt es keine Kirche, die so sehr von der Cornelius-Verehrung geprägt ist, wie diese. Der heutige Bau wurde zwischen 1639 und 1659 anstelle einer baufällig gewordenen romanischen Kirche errichtet. Aufgrund der vielen Gaben bei den Pardons, den jährlichen Feierlichkeiten zu Ehren des Heiligen, kamen erhebliche Mittel in die Kirchenkasse. So konnte das Bauwerk reich und qualitätvoll ausgestattet werden. Es präsentiert sich auch heute noch den zahlreichen Besuchern - wie es in der um 1990 erschienenen Schrift Saint Cornély et son Église von René AUFFRET heißt, "geschmückt wie ein wahrer Reliquienschrein zu Ehren von Saint Cornély". In der Ausstattung kommt wie nirgendwo sonst der von Legenden geprägte Volksglaube über Cornelius zum Ausdruck.
Ihm ist der prächtige Hauptaltar geweiht. Über einem großen Gemälde mit der Darstellung der Himmelfahrt Mariens steht die farbige Statue des Papstes, gekrönt mit der Tiara, in der linken Hand den päpstlichen Bischofsstab haltend, die rechte zum Segnen erhoben. Von den Voluten zu beiden Seiten hängen große Füllhörner herab, überquellend mit Blumen und Früchten, die die von Saint Cornély ausgeschütteten Wohltaten verkörpern sollen. Vielleicht soll auch das Füllhorn - französich Corne d’abondance - ein Symbol sein für den ebenfalls mit Corne gebildeten Namen des Heiligen. Das eiserne Chorgitter, 1806 von einem Schmied aus der näheren Umgebung geschaffen, trägt in der Mitte den Namen "Saint Cornéli" in vergoldeten Lettern. Über dem Chorgitter hängt das "Banner von Saint Cornély", eine 1901 angefertigte Fahne. Sie zeigt den heiligen Papst zwischen seiner Kirche und dem Cornély-Brunnen, vor ihm betend Bauer und Bäuerin in bretonischer Tracht.



Reliquienbüste des hl. Cornelius aus dem 18. Jh. ("der kleine Saint Cornély") in der Kirche von Carnac (Teil einer Ansichtskarte, 1991).



Zwei Reliquienbüsten des Heiligen aus vergoldetem Holz sind in der Kirche ausgestellt, die eine - genannt "der kleine Saint Cornély" - wohl aus dem 17. Jh., die andere vom Beginn des 19. Jh. (Auf die Anfrage des Verfassers nach der Herkunft der Reliquien von St. Cornély erklärte der Rektor der Pfarre in einem Schreiben vom September 1991, er wisse nicht, woher diese stammen; er finde nirgendwo eine Antwort darauf).

Kirchenfenster: Der Kopf wird ihm abgeschlagen
Von bemerkenswertem Niveau sind die großen farbigen Kirchenfenster, von denen sich die meisten auf Saint Cornély beziehen. Sie zeigen folgende Motive:
– Papst Cornelius als Schutzheiliger des Hornviehs (Rind und Schaf sind abgebildet)
– Das Martyrium des Heiligen: Ein Soldat schlägt ihm mit dem Schwert den Kopf ab.
(Zwei Fenster im Chor aus der 1. Hälfte des 19. Jh.)
– Cornelius weist die ihm angebotene Tiara - Symbol für die Wahl zum Papst - zurück.
– Papst Cornelius, in den Wolken thronend, rettet ein Schiff im Sturm.
– Der vom Kaiser zum Tode verurteilte Papst tauft auf dem Wege zur Hinrichtung den römischen Hauptmann und seine Soldaten.
(Zwei Fenster vorn in den Seitenschiffen aus etwas späterer Zeit)
Die jüngsten Kirchenfenster befinden sich hinten in den Seitenschiffen und stammen aus den Jahren 1890 und 1892. Geschaffen wurden sie von dem bretonischen Glasbildner E. Laumonnier, der für das Fenster von 1892 auf einer Ausstellung in Vannes die Goldmedaille erhielt. Sie tragen die Inschriften:
St. Corneille erweckt durch sein Gebet die Tochter eines römischen Senators wieder zum Leben.
St. Corneille löscht durch sein Gebet und seinen Segen eine Feuersbrunst in der Stadt Corcelle aus.


An der Decke die Taten und Wunder
Das bedeutendste Kunstwerk der Kirche sind die bemalten hölzernen Deckengewölbe. Sie erstrecken sich in den drei Kirchenschiffen auf insgesamt etwa 750 qm und dürften in der Bretagne einmalig sein. Schon 1960 wurden sie als "Monument Historique" klassifiziert und unter Denkmalschutz gestellt. Bemalt wurden sie in den Jahren 1729 bis 1732 von dem bretonischen Künstler Le Corre Louis (aber signiert mit Dupont) und in den 1960er Jahren renoviert.
Das Mittelschiff zeigt in zwei Reihen nebeneinander den Zyklus "Saint Cornély". Der ältere Teil (1–8), vom Hauptaltar ausgehend, erzählt Episoden vom Leben und Tod des Heiligen nach der so genannten Goldenen Legende von Jacques de Voragine aus dem 13. Jh. Der jüngere Teil (9–12), zur Orgel hin, illustriert die Wunder des Heiligen.
Laut der vorzitierten Schrift von René Auffret zeigen die einzelnen Deckenbilder:
1) Saint Cornély diskutiert mit den Anhängern Novatians und verdammt deren Irrlehre.
2) Saint Cornély hält einen Menschenzug an, der einen Ochsen, auf dem ein Kranker ausgestreckt ist, zur Opferstätte geleitet.
3) Kaiser Decius befiehlt, Saint Cornély zum Tempel des Mars zu führen, damit er dort den Göttern opfert.
4) Der römische Hauptmann bittet unterwegs den Heiligen, der ihn zum Glauben bekehrt hat, seine gelähmte Frau Sallustia zu heilen.
5) Die Frau wird nach ihrer Heilung von Saint Cornély getauft, ebenso wie der Hauptmann und 20 Soldaten.
6) Der Kaiser versucht noch einmal Saint Cornély zu überzeugen, den Göttern zu opfern. Er weigert sich jedoch.
7) Saint Cornély wird sehr heftig von den Henkern geschlagen, die ihn töten werden.
8) Saint Cornély wird enthauptet. Ein fromme Frau, Lucina, schickt sich an, den Leichnam des Märtyrers zu übernehmen, um ihn auf ihrem Anwesen zu begraben.
9) Saint Cornély predigt das Evangelium Menschen aus vielen Nationen.
10) Saint Cornély heilt einen gelähmten Mann.
11) Saint Cornély treibt einem jungen Mädchen den bösen Geist aus.
12) Saint Cornély rettet ein Schiff in stürmischer See vor dem Untergang.

Rinder zwischen Menhiren weidend
Außen über dem Eingangsportal im Glockenturm steht in einer Nische die farbige Statue des Heiligen mit Bischofsstab und segnender Gebärde, ähnlich der über dem Hauptaltar. Links und rechts davon ein farbiges Relief, das jeweils ein Rind zwischen Menhiren zeigt. Die Statue ist 1987 als hölzerne Kopie einer steinernen Statue angefertigt worden, die der Zahn der Zeit zu sehr beschädigt hatte.
Unter dieser Statue beteten die Bauern nach Sonnenuntergang schweigend zu ihrem Schutzheiligen, wenn sie mit ihren Herden in der zweiten Septemberwoche zum Pardon des Heiligen hierhin kamen.


Die Caves St. Cornély bei der Rue Saint Cornély
Bei der Popularität von Saint Cornély kann es nicht verwundern, dass sein Name auch sonstwie in Carnac zu finden ist. So nennt sich eine der Hauptstraßen des Städtchens, die an der Kirche vorbeiführende D 781: Rue Saint Cornély.
In einem schönen alten Haus aus grauem Granit gegenüber der Kirche, heute Sitz des Office de Tourisme, trägt der schwere Stein über der Eingangstür den eingemeißelten Namen "St Cornély". Darüber öffnet sich eine kleine Nische, in der anscheinend früher eine Statue des Heiligen stand. Nicht weit davon macht ein riesiges weißes Schild mit der Aufschrift les Caves St Cornely in blauen Lettern auf eine Weinhandlung dieses Namens aufmerksam. Im Zentrum des Städtchens ist im Rahmen der Ortskernsanierung ein moderner Baukomplex in Anlehnung an den regionalen Stil entstanden, der sich Le Village de St Cornély nennt. Die Ladenpassage hierin, das centre commercial, trägt den Namen Galerie St. Cornély. In den Andenkenläden der Stadt kann man in zwei unterschiedlichen Versionen graue Statuetten des Heiligen erstehen, die anscheinend alten Originalen nachgebildet sind.


Ein Büschel Haare vom Ochsenschwanz
Etwa 150 m westlich der Kirche von Carnac liegt der "Brunnenplatz" mit der "Fontaine de Saint Cornély", der Quelle des hl. Cornelius. In der Mitte des Platzes befindet sich, gut 1 m tiefer, ein weiträumiges, gepflastertes Karree, zu dem auf jeder Seite eine sechsstufige Steintreppe führt. Inmitten des Karrees steht ein kleines, nach drei Seiten offenes Bauwerk, wie eine Art Tempel, mit einer großen Statue des Heiligen. Hier entspringt auch die Quelle, die aber heute kaum noch Wasser gibt. Die eindrucksvolle Anlage soll laut der oben zitierten Schrift von René Auffret "vom 18. Jh. oder vom Anfang des 20. Jh." datieren.
Auf einer in Carnac zu kaufenden Ansichtskarte heißt es zur Quelle:

Saint Cornély, Schutzpatron des Hornviehs
Saint Cornély ist ein bretonische Name für den heiligen Cornelius, einen römischen Papst aus dem Jahre 251. Cornély ist durch ein Wortspiel mit corne (= Horn) zum Schutzpatron der Kühe und Stiere geworden. Bis zum letzten Krieg wurden die mit bunten Bändern geschmückten Tiere zu der Quelle geführt und reichlich mit Wasser bespritzt. Man brachte dem Heiligen einen Büschel Haare dar, die man aus ihrem Schwanz gerissen hatte. Das gab den Tieren Schutz für das ganze Jahr.


Beim Pardon wurden die Rinder gesegnet
Für eine Verbindung zwischen prähistorischem Rinderkult, den Steindenkmälern und Papst Cornelius spricht, dass nach Zeugnissen aus dem 18. Jh. die Bauern damals noch ihre Rinderherden zwischen den Steinalleen herumlaufen ließen als Vorbeugung gegen Krankheiten. Dieser Brauch soll dann vom Klerus umgelenkt worden sein in eine Prozession um die Kirche des hl. Cornély in Carnac mit Segnung des Hornviehs am dortigen Brunnen. Mehrere Berichte über die in der Bretagne weit verbreiteten "Pardons", die Feierlichkeiten zu Ehren eines Heiligen, erwähnen auch St. Cornély und die Segnung des Hornviehs. So heißt es in der Schrift Les pardons Bretons du temps passé (= Die bretonischen Heiligenfeste in der Vergangenheit), 1977, von Jacques DUCHEMIN:
Der Pardon von St. Cornély, dem Patron des Hornviehs, fand in Carnac am 8. September statt, aber das Fest dauerte 8 Tage. Die Bauern aus der Umgebung, die an ihrem Hut einen Strauß Sanddisteln trugen, zogen um die Kirche und knieten sich vor der Statue des Heiligen nieder, die das Portal dominiert. Dann gingen sie zum Brunnen, wuschen sich und schöpften Wasser in kleine Fläschchen, die sie mit nach Hause nahmen. Nachdem sie die Reliquien des Heiligen geküsst hatten, gaben sie ihre Opfergabe beim Kirchenschatz ab, wo sie geweihte Kordeln bekommen konnten, um die Tiere im Stall anzubinden.
Nach dem Hochamt begab sich der Klerus auf den kleinen Platz, wo alle Tiere des hl. Cornély aufgestellt waren. Man nannte so Tiere, die die Eigentümer dem Heiligen ganz oder teilweise geopfert hatten. Sie wurden gesegnet und dann zugunsten des Kirchenschatzes verkauft. Häufig kaufte der Spender selbst sein Tier zurück, das er dann als Glücksbringer in seinem Stall aufstellte. Während der ganzen Oktav waren in Carnac Herden aus der Umgebung zu sehen. Man ließ sie zunächst um die Kirche ziehen, dann knieten sich die Hirten vor dem Glockenturm nieder und beteten. Anschließend wendeten sie sich zum Brunnen und spritzten Wasser daraus auf alle Tiere der Herde.
Von Pilgern angehäufter Hügel?
Die Wallfahrten zum hl. Cornély in Carnac müssen so riesige Ausmaße gehabt haben, dass sie zur Entstehung eines ganzen Hügels führten. So will es zumindest eine Legende wissen. Es geht um den berühmten Tumulus St.-Michel am Ortsrand von Carnac. Dieser Hügel aus Erde und Steinen, 120 m lang und 12 m hoch, mit der Kapelle für den Erzengel Michael auf seinem Gipfel, ist eine Grabanlage, die mindestens 6.000 Jahre alt ist, älter als die Pyramiden in Ägypten. Sie gehört zu den ältesten Monumenten, die der Mensch geschaffen hat.
Eine in Carnac zu kaufende Ansichtskarte gibt allerdings hierzu eine andere Erklärung:
Der Tumulus Saint Michel ist kein Grab, das von den Menschen der Vorgeschichte errichtet worden ist. Wie die Legende berichtet, mussten die Pilger, die sich ehemals zum Pardon des heiligen Cornély begaben und dabei die Steinalleen der Menhire durchquerten, einen Stein oder Erde mitbringen, um dieses Material dann auf dem Berg des hl. Michael niederzulegen. So ist dann im Laufe der Jahrhunderte, Stein auf Stein, der große Hügel aufgetürmt worden, der sich über Carnac erhebt.

Segnungen auch an anderen Orten
Auch an anderen Orten in der Bretagne wird Cornelius verehrt. In der Landschaft Brière, etwa 15 km nördlich von St-Nazaire, steht in der Dorfkirche von La Chapelle-des-Marais eine farbige Statue des hl. Cornély. Laut dem 1982 erschienene Werk Pardons et pèlerinages de Bretagne von Joseph CHARDRONNET findet dort am Namensfest des hl. Cornelius eine Prozession statt, in der 10 bis 14 Paar reich geschmückte Rinder mitziehen. Am Ende der Prozession fährt ein Wagen mit der Statue des hl. Cornély und eines Ochsen. Zum Abschluss werden alle Rinder gesegnet, die sich auf dem Platz befinden.
Diesem Werk zufolge wird St. Cornély auch in Merléac verehrt, wo allerdings inzwischen eine Segnung von Traktoren die Segnung der Ochsen ersetzt hat. Auch in Plouhinec/Finisterre, wo ihm eine Kapelle aus dem 18. Jh. geweiht ist, werde der Heilige weiterhin als Schutzpatron verehrt, obwohl inzwischen keine Ochsen mehr als Zugtiere verwendet würden. Daneben ist Cornelius dort auch, wie Prof. Zender anführt, Schutzpatron der Pferde, ebenso wie in Merlevenez, wo auch ein Pferderitt stattfindet. Ein großer Stein in Plouhinec heißt "Megalithe de S. Cornéli" (= des hl. Cornelius). Weiterhin wird Cornelius in der Kapelle des hl. Nikodemus in Plumélieu/Morbihan angerufen, wenn auch nur in Verein mit anderen Heiligen. In dem dreiteiligen Brunnen dort ist ein Teil dem hl. Cornély als Schutzpatron des Hornviehs gewidmet. Bei den Wallfahrten opfern die Pilger Vieh. Sie erhalten dafür cordes bénites (= geweihte Bänder), mit denen man gegen Fieber, Kolik und Zittern (frissons) über den Leib des Tieres streicht. Ein anderer Brauch ist, ein Tier aufzuziehen und es ganz oder zur Hälfte nach zwei bis drei Jahren St. Cornély zu schenken. Das Tier wird dann bei der Wallfahrt verkauft und der Erlös je nach Gelöbnis ganz oder teilweise an die Kirche gegeben. Laut Zender wird Cornelius in der Bretagne auch in Plouarnel, Plussulieu, Erdeven, Ploemel, Locval-Mendon, Plougeumelen, Ploeren, Arradon und Crachs als Viehpatron verehrt; in Tréal und Tourch bei Douarneuez sei er Patron der Pfarrkirche. In St. Jean-des-Marais im Departement Loire Inférieure werden bei den Wallfahrten am Corneliustag (16. September) Tiere zur Chapelle des Marais (= Kapelle im Moor) getrieben.



Statue des Saint Cornéli mit einem Kalb in der Kirche von Locmaria auf Belle-Ile vor der bretonischen Küste (Foto I. Moulierac, 1998).



Hinter Ochsen versteckt
Auch auf der malerischen Insel Belle-Ile en Mer vor der bretonischen Küste wird "St Corneli" verehrt. In der Kirche von Locmaria steht eine farbige Statue des Heiligen, die wahrscheinlich aus dem 19. Jh. stammt: Cornelius in Messgewändern, die goldene Tiara auf dem Haupt, in der Rechten den Papststab, in der Linken ein Buch. Das Besondere daran: Neben ihm kniet ein Kalb. Ein Schildchen darunter nennt eine weitere Version, warum Cornelius Schutzpatron der Rinder ist. Als nämlich Papst Cornelius von heidnischen römischen Soldaten verfolgt wurde, versteckte er sich hinter dem breiten Rücken der Ochsen und wurde dadurch gerettet. Nach einer anderen Version versteckte er sich im Ohr eines Ochsen.
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