"In hitzigen Kranckheiten kühlende Labung"
Auch als Heilmittel wider die verschiedensten Gebrechen hat sich die Kornelkirsche - und zwar sowohl die Früchte wie die Blüten, das Holz wie die Blätter - einen Namen gemacht. Schon in der Antike hatte der griechische Arzt Tabernaemontanus zur medizinischen Verwendung der Kornelle erklärt: "Auch aus dem Fleisch wird mit Zucker eine wohlschmeckende Soße gegen Übelkeit gemacht; dazu dienlich ist auch der Saft aus der Frucht". Noch heute findet man in der Heilmittelkunde den Begriff Fructus Corni (= Früchte des Kornelbaumes) für eine Droge.

Der im Jahre 1733 erschienene 6. Band von Zedler's Grossem vollständigem Universal Lexicon aller Wissenschafften und Kuenste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden widmet der Heilwirkung der Kornelkirsche eine lange Spalte. U. a. ziehen danach die "Cornell-Kirschen etwas zusammen und stopfen", wirken gegen die "rothe Ruhr" und gegen "Blut-speyen", geben bei "hitzigen Kranckheiten" kühlende Labung. Die "Beeren" verwendet man wie Oliven, macht einen "Cornell-Wein" daraus, der gegen "Bauch-Flüsse" genutzt wird. Gegen diese helfen auch die gedörrten und zu Pulver gestoßenen Früchte. Das aus dem Holz ausgezogene Öl "rottet den Krebs aus". Die "Beeren in Wein gekocht und getruncken" kurieren den Nierenstein. Die Blätter stillen das Bluten von Wunden. Im Original heißt es dort:

Dass die "Cornell-Kirschen", wie bei Zedler gleich eingangs erwähnt, in der Tat gegen die "rothe Ruhr" eingesetzt wurden, zeigt sich an dem Namen "Ruhrbeeren", der auch für sie verwendet wurde.
Nahezu 100 Jahre später, nämlich im 1829 erschienenen 19. Teil der Allgemeinen Encyclopädie der Wissenschaften und Künste äußert man sich wesentlich zurückhaltender über die Heilwirkung der Kornelkirsche. Immerhin hieß es auch dort: "Sonst gebrauchte man sie auch artzneilich bei hitzigen Fiebern und gegen Ruhren, und bereitete in Apotheken ein Mus davon, Roob cornorum."


Was das Kräuter=Lexicon von 1766 schreibt
Die Kornelkirsche scheint in früheren Jahrhunderten ihren festen Platz in der Heilkunde gehabt zu haben. Nachstehend, was die "FLORA FRANCICA AUCTA, oder vollständiges Kräuter=Lexicon, worinnen ..., vormals von Herrn Georg Frank von Fankenau lateinisch herausgegeben, nachgehends ins Deutsche übersetzet ... Sechste Auflage. mit allergnädigsten Privilegiis Leipzig und Züllichau 1766" über sie schreibt:
Cornus mas, Thierleinbaum, Kürberbaum, Cörnerbaum, Welscher Kirschbaum, Erlsken.

Die Frucht ist kalt im andern, und trocken im dritten Grad, hält an, stopfet, dienet im Durchfall und der rothen Ruhr. In den Apothecken hat man die eingemachten Kirschen und das Mus. Die Tropfen, welche, so ein Zweig abgehauen wird, aus dem Baume fließen, können in einem eisernen Gefäs gesammlet und wider Schwinden appliciret werden.


Von der heiligen Hildegard empfohlen
Eine der großen Heiligen des frühen Mittelalters, die heilige Hildegard von Bingen (1098-1179, die aber immer noch nicht offiziell heiliggesprochen ist), widmet sich in ihren - lateinisch abgefassten - Schriften, die aufgrund von Visionen zustande gekommen sein sollen, auch mit der Heilkunde.

Als Bad gegen die Gicht
In der Physika (wohl am treffendsten übersetzt mit "Heilkraft der Natur"), eines ihrer beiden medizinischen Werke, entstanden in den Jahren 1150-1158, geht sie im 3. Buch auf die Heilkraft der Bäume ein. Kapitel 40 ist der Kornelkirsche gewidmet, dort "Erlizbaum" genannt. In der textkritischen Übersetzung von Marie-Louise Portmann, 1991 herausgegeben von der Basler Hildegard-Gesellschaft, lautet das Kapitel:
Von der Kornelkirsche (Dirlitze)
Die Kornelkirsche ist warm, und ihre Wärme ist mild, und sie hat süße Feuchtigkeit in sich. Nimm daher von ihrer Rinde, dem Holz und den Blättern und koche sie in Wasser, und mache daraus ein Bad. Und wer an Gicht leidet, sei es ein Kind, ein junger Mensch oder ein alter, der bade darin oft und umgebe sich in diesen Bädern (mit diesen Blättern). Und das tue er im Sommer, wenn der Baum grün ist, und dem Kind und dem jungen Menschen wird es bestens zur Gesundheit verhelfen. Dem alten Menschen aber wird es ziemlich nützen, jedoch nicht in dem Maße wie dem Kind und dem jungen. Und so werden sie sich besser befinden. Und die Frucht dieses Baumes schadet dem Menschen nicht, wenn man sie ißt, aber sie reinigt und stärkt den kranken und auch den gesunden Magen, sie nützt dem Menschen für die Gesundheit.
Es sind also zwei Rezepte oder Verwendungen, die Hildegard bei der Kornelkirsche nennt, nämlich ein Bad von Rinde, Holz und Blättern gegen die Gicht sowie die "Kirsche" für den Magen.

"Reinigen und festigen den Verdauungstrakt"
Auf den medizinischen Werken Hildegards von Bingen aufbauend hat sich heute eine "Hildegard-Heilkunde" herausgebildet. Hierzu erschien 1990 von dem Heilpraktiker Reinhard Schiller ein Buch, betitelt:

Hildegard Medizin Praxis
Rezepte für ein gesundes Leben
Heilmittel im Einklang mit der Umwelt
Wahrung der ursprünglichen Lebenskraft

In einer Auflistung der Nahrungsmittel, die nach der heiligen Hildegard gesundheitsfördernd wirken, ist dort auch die Kornelkirsche aufgeführt, und zwar mit der Bemerkung: "gut für Gesunde und Kranke, reinigen Magen und Darm". Bei zwei der aufgeführten Krankheiten, nämlich Colitis und Zöliakie, wird die Kornelkirsche als Heilmittel empfohlen. Als Begründung wird jeweils der letzte Satz von Hildegards oben zitierten Ausführungen über die Kornelkirsche zitiert: "Und die Frucht dieses Baumes schadet dem Menschen nicht, wenn man ...".
Bei der Colitis, der Entzündung des Dickdarms, wird in dem Buch folgendes Rezept gegeben:
Kornelkirschen
Roh, als Marmelade, als Gelee, als Mus oder in jeder beliebigen Zubereitung verspeisen. Kornelkirschen reinigen und festigen den Verdauungstrakt. Innerhalb weniger Monate kann Colitis mit Hilfe von Kornelkirschen, ausschließlicher Dinkelkost und begleitender Hildegard-Therapie gelindert, sogar geheilt werden.
Das Rezept bei der Zöliakie, einer Darmerkrankung bei Kleinkindern, lautet:
Täglich eine Portion Kornelkirschen essen, egal in welcher Form, ob roh oder gekocht, als Marmelade, Mus oder Gelee. Kornelkirschen reinigen und stärken das angeschlagene Verdauungssystem und fördern dessen Gesundheit. Mit einem einmaligen Verzehr kann man aber noch keine Wunder erwarten. Sie sind ein Langzeittherapeutikum und sollen über Monate hinweg täglich verwendet werden.
Darüber hinaus wird die Kornelkirsche unter dem Kapitel "Magengeschwüre" zur zusätzlichen Behandlung bei Magenleiden empfohlen.

Enthält Vitamin P
Ebenfalls unter Berufung auf den vorzitierten Satz Hildegards, dass die Kornelkirsche den kranken wie gesunden Magen reinigt und stärkt, heißt es in dem 1996 erschienenen Hildegard von Bingen Kochbuch von Dr. Wighard Strehlow über die Kornelkirschenfrüchte:
Sie enthalten den roten Fruchtfarbstoff der Anthocyane, die zur Vitamin-P-Gruppe gehören. Dieses Vitamin P ist ein wichtiger Schutz- und Reparaturfaktor bei Entzündungen und Verletzungen der Schleimhäute und Blutgefäße, z. B. bei Gastritis oder Krampfaderleiden.

Balsam für Magen und Haut
Die Heilkraft der Kornelkirsche wurde inzwischen auch einem großen Publikum nahe gebracht. Freunde gaben dem Verfasser im August 2011 einen kleinen Artikel, eingebettet in ein großes Foto, aus der auflagenstarken Programmzeitschrift tv Hören und Sehen (Nr. 33) unter der Überschrift "Kornelkirschen — Warum sie wie Balsam wirken". Man "schätze sie seit jeher als Magenbesänftiger".
Im Einzelnen hieß es dort weiter:
"Je dunkler die Steinfrüchte, desto intensiver ist die Heilkraft, die in ihrem Fruchtfleisch steckt. Es wirkt auf den nervösen Magen wie eine sanfte Massage von innen, die schmerzhafte Krämpfe löst. Verantwortlich für die Heilkraft der Kornelkirsche ist der Farbstoff Anthocyan, der die Magenschleimhaut beruhigt und antibakteriell wirkt. Ihr enormer Gehalt an Vitamin A fördert die Regeneration der Haut und lindert Entzündungen.
Heilrezept: 2 EL Kornelkirschensaft mit 4 EL Wasser verdünnen. Dosis: 1 Glas täglich."

1 EL = 1 Esslöffel

Um den berühmten "Wiener Kaffee" zu machen
Lassen wir zur vielfältigen Verwendung der Kornelkirsche noch einen Autor aus Italien sprechen, wo der Strauch/Baum allgemein verbreitet ist. Im Heilpflanzenführer (Guida alle piante medicinali) von Paola LANZARA, 1978, heißt es hierzu (vom Verfasser übersetzt):
Die Früchte bewahren auch bei der Reifung einen säuerlichen Geschmack und enthalten Glukose, malico- und Zitronensäure, Schleim- und Gerbstoffe. Aus den Früchten erhält man Marmeladen von leicht säuerlichem Geschmack und verstopfender Wirkung. Werden sie vergoren, liefern sie alkoholische Getränke von angenehmen Geschmack. In seiner Beschreibung des Goldenen Zeitalters berichtet Ovid über Menschen, die sich auch von Kornelkirschen ernähren: Diese enthalten einen Samen, aus dem man ein Öl erhält, das zur Seifenherstellung verwendet wird. Geröstet und mit Kaffee vermischt verleihen sie diesem einen angenehmen Vanille-Duft, es ist der berühmte "Wiener Kaffee". Mit den Blättern kann man sich zum Trinken aus der Tasse einen angenehmen Aufguss machen. Die Volksmedizin empfhielt die Früchte als Mittel gegen Durchfall. Auch die Rinde (die eine bittere Substanz enthält, das Cornin, ebenso wie tannin-und pektinhaltige Substanzen) verleiht einem Aufguss daraus verstopfende und kräftigende Wirkung.

"Gesund wie eine Kornelkirsche"
Wie in Deutschland lebende Serben berichten, gibt es im Serbo-Kroatischen eine feststehende und gängige Redewendung: Zdrav kao drjen. Wörtlich übersetzt lautet der Zungenbrecher "Gesund wie eine Kornelkirsche". Frei übersetzt könnte man wohl "kerngesund" sagen.
Die Kornelkirsche heißt auf Serbo-kroatisch drenjine, was soviel wie Baum bedeutet (mit Horn oder lateinisch corn hat der Name nichts zu tun).
In Jugoslawien macht man aus der Kornelkirsche Schnaps (den geschätzten raki iz drenjine), Marmelade und vor allem Saft, der bei Erkrankungen des Magen-Darmbereichs getrunken wird.


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