Vom Karneol
In anderen Sprachen fängt's mit Corn an
Man kommt vielleicht nicht gleich darauf, aber es bestehen enge Verbindungen zwischen dem Karneol und dem Namen Cornelius. Früher, bis zur Rechtschreibreform von 1901, war diese Verbindung deutlicher, als man Karneol noch ganz überwiegend mit C schrieb. Heute ist die Schreibweise unumstritten mit K. In anderen Sprachen ist der zweite Buchstabe üblicherweise kein a, sondern ein o wie bei Cornelius. Im Englischen heißt der Schmuckstein cornelian, im Französischen cornaline und im Niederländischen, das dem Deutschen nahe verwandt ist, cornalijn (und ist dort neuerdings auch ein Mädchename). Bei uns wurde er in früheren Jahrhunderten cornelius, corneolus oder corniol genannt. Doch davon weiter unten.
Ein Halbedelstein von roter bis gelblicher Farbe
Der Karneol ist ein leicht transparenter Halbedelstein (Formel: SiO2, Mosh-Härte 6,5 bis 7) von roter oder rötlicher bis gelblicher Farbe, der vor allem im Altertum viel für Schmuckstücke, insbesondere für Siegel verwendet wurde. Er gehört - ebenso wie der heute weit bekanntere Achat - zur Gruppe der Chalzedone (benannt nach der antiken Stadt Chalcedon, heute ein Stadtteil von Istanbul). Hauptlieferländer sind heute Uruguay, Brasilien, Indien und Botswana, daneben Nordafrika, Sibirien, Japan und Queensland/Australien. Im Altertum waren es Arabien und Ägypten, in den letzten Jahrhunderten in Europa Böhmen und Siebenbürgen. Die farbgebende Substanz ist Eisen; durch Erhitzen kann die Farbe vertieft werden. Wie das Werk Edelsteine und Schmucksteine von Walter SCHUMANN, 1995, schreibt, sind heute die meisten der angebotenen Karneole gefärbte und anschließend durch Hitze behandelte Achate. Natürlicher Karneol zeige im Durchlicht wolkige Farbverteilung, der gefärbte dagegen eine streifige Tönung.
Laut dtv-Lexikon, Ausgabe 1990, stammt die Bezeichnung Carneol vom lateinischen Wort für "fleischfarben" (caro = Fleisch); das Mineral sei eine "gelbliche bis blutrote" Varietät des Chalcedon. Das Lexikon macht es sich wohl etwas zu einfach.
Zwar gibt es im Englischen für den Schmuckstein auch die Bezeichnung carnelian (also wie im Deutschen a statt o). Die englischsprachige Chambers's Encyclopaedia, Ausgabe 1970, stellt aber hierzu unmissverständlich klar, dass es cornelian heißen muss: "Cornelian, ein Edelstein, oft fälschlicherweise carnelian genannt, ist ...".
Der New English Dictionary von MURRAY, Oxford 1893, geht detailliert auf die Herkunft des Wortes ein. Danach geht cornelian in den verschiedenen Schreibweisen auf die mittelenglische (1000–1500) Bezeichnung corneline zurück, die ihrerseits vom altfranzösischen corneline stammt.
Im Mittelalter war er auch der cornelius
Die lateinische Bezeichnung im Mittelalter war corneolus, die schon von 1078 an allgemein verwendet wurde. Später wurde der Stein auch cornelius genannt. So heißt es im 13. Jh. bei Albertus Magnus: "corneolus, quem quidam cornelium dicunt" (= corneolus, den man auch cornelius nennt).
In Physica, dem lateinisch abgefassten medizinischen Werk der heiligen Hildegard VON BINGEN (1098–1179) wird der Stein cornelius oder ähnlich genannt. Bei der sogenannten Pariser Handschrift der Physica aus den Jahren 1425-1450 ist das Kapitel 4-23 über den Karneol überschrieben mit "De Cornelione". Dort heißt es auch, der Stein sei "wegen seiner Farbe nach der Kornelkirsche benannt". Allerdings ist zweifelhaft, ob das Buch von den Steinen wirklich von Hildegard stammt oder später hinzugefügt wurde.
Von "Horn" oder "Kornelkirsche" abgeleitet
Die heilige Hildegard könnte auch hier mit ihrer Aussage richtig liegen. Der Ursprung der Bezeichnung bleibt zwar auch nach dem oben zitierten New English Dictionary unsicher. Zum Teil wird er laut Dictionary auf das lateinische Wort cornu = Horn zurückgeführt, weil die Farbe des Steins manchmal dem des Fingernagels gleiche, teils aber auch auf die rote Farbe der Kornelkirsche, die lateinisch cornum (Adjektiv: corneus) heißt. Im späten 15. Jh. sei das Wort corneolus verfälscht worden zur carneolus, und zwar nach dem lateinischen Wort carneus = fleischfarben.
Das französische Wort für Karneol ist cornaline. Der Große Larousse, Ausgabe 1982, erklärt dazu kurz und bündig, die Bezeichnung komme von corne = Horn. Die spanische Bezeichnung ist ganz ähnlich, nämlich cornalina.
Im Italienischen heißt der Schmuckstein corniolo und wird genauso geschrieben wie das italienische Wort für Kornelkirsche. Allerdings ist die Betonung anders: Im Sinne von Kornelkirsche wird corniolo auf der ersten Silbe betont, im Sinne von Karneol auf der zweiten (= corniólo).
Richtiger würde er Korneol heißen
Laut dem sehr gründlichen Werk von Hans LÜSCHEN Die Namen der Steine, Basel 1979, ist die häufigste Form dieses mittellateinischen Namens corneolus, daneben cornelius und corniol. Die Herleitung aus dem lateinischen corneus = hörnern (die Verkleinerungsform davon ist corneolus ) sei nicht so einleuchtend wie die aus dem lateinischen cornus = Kornelkirschenbaum (von dem die Verkleinerungsform ebenfalls corneolus ist) und cornum = Kornelkirsche. Beschreibungen in alten Büchern über Steine hätten die Farbe des Karneols mit der des Fleisches oder des Spülwassers von Fleisch verglichen. Darauf könnte es beruhen, dass sich im 15. Jh. die Formen mit a, nämlich carniol, carneolus usw. durchsetzten. Carneolus sei als der Fleischfarbene verstanden worden.
Nach all den vorstehenden Zitaten dürfte also die Verbindung zu corn, sei es als "Horn" oder "Kornelkirsche", das wahrscheinlichste sein. Daher sollte man den Stein im Deutschen eher "Korneol" oder "Corneliusstein" nennen.
Auf Zypern gefundene Halskette mit Karneolperlen aus der Jungsteinzeit
Schmuckstein seit Jahrtausenden
Schon in der Jungsteinzeit wurde der Karneol als Schmuckstein in Halsketten verwendet. Das Zypern-Museum in Nikosia besitzt zwei Halsketten aus Karneolperlen und zahnförmigen Muscheln (40 und 52 cm lang; englischer Ausstellungstext: "Necklaces with dentalium shells and beads of cornelian"), die in der Ausgrabungsstätte von Khirokitia im Süden der Insel an Skeletten von dort begrabenen Frauen gefunden wurden. Die Halsketten werden in die Zeit von 3.500–3.000 v. Chr. datiert. Der verwendete Karneol muss vom Festland importiert sein, da es ihn auf der Insel nicht gibt. Bei seinen Ausgrabungen im 5.000-jährigen Troja fand Heinrich Schliemann 1898 neben Prunkbeilen, goldenen Nadeln und Schmuck aus Gold und Silber ebenfalls Schmuckstücke aus Karneol (sogenannter "Schatzfund L"). Auch im Nildelta in der von Ramses II., dem Großen, (1224 v. Chr.) erbauten Pharaonen-Residenz Ramsesstadt wurde Schmuck aus Karneol entdeckt.
In Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Karneol) vom 28.5.2006 werden als bekannte Beispiele für antike Ringe aus Karneol genannt:
·Der Ring von Tello, Iran, ca. 2.500 v. Chr., im Louvre
·Phönizischer Siegelring mit Skarabäusdarstellung, 6. Jh. v. Chr., im Britischen Museum
·Etruskischer Siegelring mit Poseidon-Motiv, 6. Jh. v. Chr., in der Französischen Nationalbibliothek in Paris.
Wie es dort weiter heißt, habe im Alten Ägypten der Karneol aufgrund seiner an Blut erinnernden Farbe als "Lebensstein" gegolten. Daher habe er bei Bestattungsritualen eine Rolle gespielt und werde auch im Ägyptischen Totenbuch erwähnt. Zahlreiche Karneole seien auch im Grab König Tutanchamuns (1337 v. Chr.) gefunden worden.
Auch im antiken Karthago im heutigen Tunesien schätzte man offenbar den Karneol. Im Bardo-Museum in Tunis sind in einer Vitrine einige der raren Schmuckstücke ausgestellt, die aus dem phönizischen Karthago erhalten sind. Darunter befindet sich eine große Halskette mit zentralem Anhänger aus dem 6. Jh. v. Chr. (Nr. 2), bestehend aus Gold, Karneol, Achat, Keramik (mit hohem Anteil Kieselerde) und Lapislazuli (der betreffende Erläuterungstext dort ist französisch und lautet: "or, cornaline, agate, pâte séliceux, lapis-lazuli"). Eine andere - kleinere - Halskette, die 30 Elemente umfasst, stammt aus dem 7. bis 6. Jh. v. Chr. (Nr. 7) und besteht aus Gold, vergoldetem Silber und Karneol (franz. Text: "or, argent doré, cornaline).
Eine Wanderausstellung 2002/2003 in großen Städten zeigte Kostbarkeiten aus den Petersburger Museen. Eine der kostbarsten Stücke war eine Gürtelschließe aus massivem Gold mit einer Drachendarstellung, verziert mit Karneol- und Glasstückchen. Es wird in das 5. bis 4. Jh. v. Chr. datiert und war schon Teil der sogenannten "Sibirischen Sammlung" von Zar Peter dem Großen (1672–1725). In derselben Ausstellung wurden auch ein breiter Frauengürtel aus Turkmenien, besetzt mit großen Karneolsteinen, und ein mit Karneolen übersäter Frauenkopfschmuck aus Kasachstan präsentiert. Beide Teile gehörten zur traditionellen Festtracht dieser asiatischen Völker.
Schon bei Moses genannt
Auch in der Bibel wird der Karneol mehrfach erwähnt. So heißt es in der im 1. Jh. n. Chr. entstandenen Offenbarung des Johannes in der deutschen Einheitsübersetzung von 1980 im 4. Kapitel, Vers 2 und 3:
Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer, der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah.
Auch in der Übersetzung des Neuen Testaments von Ulrich WILCKENS (7. Aufl. 1983) heißt es "Karneol".
Im Kapitel 21 über das neue, himmlische Jerusalem (Verse 19, 20) heißt es bei WILCKENS:
Die Grundsteine der Stadtmauer sind mit Edelsteinen jeder Art geschmückt: Der erste Grundstein ist ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Karneol, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst.
Die deutsche Einheitsübersetzung nennt dagegen den sechsten Edelstein "Sardion", nicht Karneol.
Jedenfalls dürfte damals schon der Karneol zu den bekannten und geschätzten Edelsteinen gehört haben. Auch viel früher schon, im Alten Testament, das wohl im 7. Jh. v. Chr. seine heutige Fassung bekam, taucht der Karneol auf. In der deutschen Einheitsübersetzung heißt es im 2. Buch Moses oder Buch Exodus (Kapitel 28, Vers 17-20):
Besetze sie mit gefassten Edelsteinen in vier Reihen: die erste Reihe mit Rubin, Topas und Smaragd; die zweite Reihe mit Karfunkel, Saphir und Jaspis; die dritte Reihe mit Achat, Hyazinth, und Amethyst; die vierte Reihe mit Chrysolith, Karneol und Onyx; sie sollen in Gold gefasst und eingesetzt sein.
In der Übersetzung von Hans BRUNS, 1962, heißt es bei den Edelsteinen der ersten Reihe statt Rubin "Karneol", dafür aber bei den Edelsteinen der vierten Reihe statt Karneol "Soham".
Auch im Buch Ezechiel (Kapitel 28, Vers 13) kommt der Karneol vor. Der Text bei BRUNS lautet:
Du wohntest in Eden, im Garten Gottes, und allerlei Edelsteine bedeckten dein Gewand: Karneol, Topas und Jaspis, Chrysolith, Beryll und Onyx, Saphir, Rubin und Smaragd, und aus Gold waren deine Einfassungen und Verzierungen an dir gearbeitet.
Die Einheitsübersetzung spricht dagegen von "Rubin" anstelle von Karneol und von "Karneol" anstelle von Beryll.
In der Schäfer-Bilderbibel der Bibelanstalt Stuttgart von 1929 steht anstelle von Karneol jeweils Sarder. Bei der wohl neuesten Übersetzung der Bibel ins Deutsche, der Bibel in gerechter Sprache aus dem Jahre 2006, die von einem protestantischen Übersetzerteam vorgenommen wurde, ist die Wortwahl uneinheitlich: In der Johannes-Offenbarung wird im 4. Kapitel vom Sardisstein gesprochen, im 21. Kapitel dagegen vom Karneol. Im 2. Buch Moses (Kapitel 28) werden weder Karneol noch Sarder genannt, sondern der Rubin; bei Ezechiel heißt es wieder Karneol.
Anscheinend ist bei einzelnen Edelsteinen nicht klar, was im Urtext der Bibel unter dem jeweiligen Begriff zu verstehen ist. In der Mehrzahl der Übersetzungen, vor allem den älteren, heißt es nicht Karneol sondern Sarder. Die Luther-Bibel von 1534 verwendet das Wort Sardis. Ein ähnliches Problem scheint es auch in anderen Sprachen zu geben. So heißt es in einer spanischen Bibelausgabe an der betreffenden Stelle "sardio" (= Sarder), während eine neuere Fassung von 2003 das Wort "cornalina" (= Karneol) verwendet. Fachlich gesehen ist der Karneol eine infolge von Eisenoxyd rot gefärbte Varietät des Chalzedon, der Sarder hingegen bezeichnet eine braun durchscheinende Spielart, bei der die Farbe auf dem Vorhandensein von Limonit beruht.
Was ist die richtige Übersetzung? Vielleicht wählen neuere Übersetzungen den Begriff Karneol, weil er geläufiger ist als der wohl nur noch unter Experten bekannte, aber doch eng verwandte Sarder.
Von den Römern zu Gemmen verarbeitet
In der römischen Kaiserzeit (0-375) muss der Karneol sehr populär gewesen sein, denn er war damals das häufigste Material zur Herstellung von Gemmen. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der Karneol leicht zu bearbeiten ist. Oft waren die Gemmen Teil eines Ringes, der auch zum Siegeln benutzt wurde. In die Gemmen waren meist Glücks- und Schutzsymbole bzw. Schutzgottheiten eingeschnitten. Bei einfachen Soldaten bestand der Ring aus Eisen, bei Offizieren aus dem Ritterstand aus Gold. In der Kaiserzeit trugen Römerinnen und Römer mehrere Ringe gleichzeitig, und zwar an allen Fingern mit Ausnahme des Mittelfingers.
Bei Kalkriese nahe Osnabrück, dem wahrscheinlichen Ort der Varusschlacht (9 n. Chr.), hat man einen Eisenring mit Gemme aus Karneol gefunden, die ein Doppelfüllhorn mit dem Heroldstab des Gottes Merkur zeigt.
In Thüringen Perlenkette aus dem 11./12. Jh. entdeckt
2005 wurde bei Großschwabhausen im Kreis Weimarer Land ein Reihengräberfriedhof des 11./12. Jh. entdeckt. Im Grab eines etwa drei bis vier Jahre alten Kindes fand man 13 Perlen aus Bergkristall, Karneol und Glas, die vermutlich zu einer Kette gehörten. Vier der Perlen sind aus Karneol. Wie das Thüringer Landesamt für Archäologie in Archäologie in Deutschland (2/2006, S. 55) mitteilte, können aufgrund der Perlen weit reichende Kultur- bzw. Handelskontakte in den Osten - speziell wohl bis in die Stadt Kiew und in den Kaukasus - zurückverfolgt werden. Da Erfurt die Westgrenze der Verbreitung dieser wertvollen Perlen bilde, liege es nahe, dass sie als Importe über die große Ost-West-Handelsstraße nach Thüringen gekommen seien. Die Umstände des Fundes sprächen dafür, dass es sich bei den Toten um Mitglieder einer slawischen Siedlergruppe handelte, die damals dort ansässig war.
Luther trug einen Karneolring
Anscheinend hat sich der Brauch, Ringe mit einem Karneolstein zu tragen, speziell als Siegelring, von den Römern über das Mittelalter bis heute erhalten. Jedenfalls trug Martin Luther einen Siegelring aus Gold mit einem Karneol. Er wurde um 1530 wohl in Augsburg hergestellt. Soweit sich bei dem kleinen Stein erkennen lässt, ist darin die sogenannte Luther-Rose, das Wappen Luthers, eingeschnitten. Der Ring ist unter den Kostbarkeiten des "Grünen Gewölbes" des Dresdener Schlosses ausgestellt und wird in der betreffenden Vitrine als "Karneolring M. Luthers" bezeichnet.
Karneol-Garnitur im sächsischen Kronschatz
Welch hohen Rang der Karneol früher als Schmuckstein einnahm, zeigt sich wohl am eindrucksvollsten bei den sogenannten "Juwelengarnituren" August des Starken (1670–1733) und seines Sohnes. Sie sind im "Gelben Raum" des berühmten "Grünen Gewölbes" im Dresdener Schloss ausgestellt und ein Hauptbestandteil des sächsischen Kronschatzes. Die sächsischen Kurfürsten waren ab 1797 gleichzeitig Könige von Polen. Juwelengarnituren gehörten seit Frankreichs Ludwig XIV. "zur unerläßlichen Standestracht eines absoluten Monarchen und sollten "die Haus- und Staatsmacht des souveränen Monarchen repräsentieren" (Museumsführer). Von den neun Garnituren in Dresden (u. a. Saphir-, Rubin-, Brillant-, Smaragd- sowie Topas- und Achatgarnituren; sie gelten als der größte und schönste Juwelenbestand des Kontinents) ist eine die "Karneolgarnitur" . Mit 123 ausgestellten Einzelteilen ist sie die umfangreichste Garnitur und besteht u. a. aus Hirschfänger, Peitsche (die Griffe jeweils aus Karneol), Rock- und Westenknöpfen, "Karneoltropfen" (sogenannte "Ungarische Knöpfe"), Tabakdose und als besonderes Prachtstück aus einer Hutaigrette. Die Karneolgarnitur wurde 1719 im Zusammenhang mit den Hochzeitsfeierlichkeiten des Kurprinzenpaares Friedrich August und Maria Josepha vollendet und ist weitgehend ein Werk der berühmten Augsburger Goldschmiede Gebrüder Dinglinger. Nach der damaligen Taxierung durch die Hofjuweliere kostete die Karneolgarnitur insgesamt die enorme Summe von 47.922 Talern.
Von magischer Wirkung für Körper und Geist
Edelsteinen wird seit alters her besondere Kraft nachgesagt. Sie sollen vor allem Böses abwehren und die Gesundheit erhalten. Das gilt auch für den Karneol. Er sollte gegen Unfälle schützen und die Wirkung von Giften aufheben. Schon die antike Medizin soll ihn zur Behandlung von Kreislauferkankungen und zur Blutstillung verwendet haben. Mohammed trug der Sage nach einen Karneol, weil dieser Genügsamkeit und Mildtätigkeit bewirke. Auch im Mittelalter genoss er besondere Wertschätzung. Die heilige Hildegard von Bingen empfahl ihn bei Nasenbluten. Es heißt bei ihr:
"Wenn jemandem Blut aus der Nase fließt, dann erwärme Wein und lege in diesen gewärmten Wein den Karneolstein.
Und so gib es jenem zu trinken, und das Blut wird aufhören zu fließen".
Bei Marbod von Rennes (1035-1123), Bischof dieser Stadt in der Bretagne, und bei Albertus Magnus (1193-1280), der den Beinamen Doctor universalis trug, hatte der Stein neben dem Blutstillen auch die Wirkung, den Zorn zu besänftigen. Albertus Magnus sagte weiter von ihm, dass er die Seele von schwermütigen Gedanken befreie und die Dämonen der Furcht vertreibe. Noch heute soll man den Karneol, vor allem in südlichen Ländern, als Talisman gegen den "bösen Blick" tragen (Hildegard von Bingen - Edelsteintherapie, ohne Angabe von Verfasser und Erscheinungsjahr, Ettlingen. www.moewig.de, ISBN 978-3-86803-187-4).
Geradezu als Allheilmittel für den Charakter wurde der Karneol in einem Werk aus dem Jahre 1354, der Oeconomia von Konrad VON MEGENBERG, gepriesen:
Wer schwach ist, aber fest sein möchte,
wer lau ist, aber brennen möchte,
wer feig ist, aber kühn sein möchte,
wer Knecht ist, aber Herr sein möchte,
der trage immer einen Karneol.
Auch noch in späteren Jahrhunderten misst man dem Karneol besondere Wirkung bei, und zwar auf Frauen. Der aufrichtige Jubilirer aus dem Jahre 1773 schreibt:
"Der Karneol, von Männern getragen, läßt sie auf Frauen in seltsamer Weise anziehend wirken."
Von Goethe und anderen gepriesen
Wie sehr der Karneol in der Vergangenheit als Stein mit besonderen Wirkungen galt, zeigen die Verse Goethes (1749–1832) in der ab 1814 entstandenen Sammlung West-Östlicher Divan. Hierin seien, wie es heißt, die tiefsten Weisheiten des alten Dichters zu finden. So lautet die erste Strophe in dem Gedicht Segenspfänder:
Talisman in Karneol
Gläubgen bringt er Glück und Wohl;
Steht er gar auf Onyx' Grunde,
Küß ihn mit geweihtem Munde!
Alles Übel treibt er fort,
Schützet dich und schützt den Ort:
Wenn das eingegrabne Wort
Allahs Namen rein verkündet,
Dich zu Lieb und Tat entzündet.
Und besonders werden Frauen
Sich am Talisman erbauen.
Für den einst populären Dichter und Dramatiker Carl Theodor Körner (1791-1813, Verfasser des Liedes "Was glänzt dort vorm Walde im Sonnenschein? ... Lützow's wilde, verwegene Jagd") kräftigt der Karneol das Herz und stärkt das Gemüt. In seinem 1810 verfassten Gedichtzyklus Die Monatssteine weist er dem Karneol den Monat Juli zu und schreibt über den Stein:
Ein feuerlebendiger Venussohn,
Der in guten, glücklichen Stunden geboren,
Hellglühend wie heißer Minne Lohn.
Er kräftigt das Herz und stärkt das Gemüt,
Dass es neu im Leben und Lieben glüht.
Diese Hochschätzung des Karneols scheint in der jüngeren Vergangenheit fortbestanden zu haben. So finden sich in dem bekanntesten Werk des Dichters und Kabarettisten Peter Paul Althaus (1892-1965), den 1951 erschienenen Traumstadt-Gedichten, folgende Verse (Gedicht Wenn ich endlich einmal wüsste):
Meiner Mutter Ohrgehänge
waren zwei Beryll-Kameen,
meines Vaters Halstuchnadel
war ein roter Karneol.
Edelsteine haben Kräfte:
grüner Pol und roter Pol.
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