Die Wiederentdeckung der Cornelius-Gruft
Die Geschichte der Ausgrabungen Heinrich Schliemanns im griechischen Kulturraum und die Entdeckung der Pharaonengräber in Ägypten, wie sie C. W. Ceram in Götter, Gräber und Gelehrtebeschreibt, sind sicherlich spektakulärer als die Auffindung des Grabes von Papst Cornelius in der Callixtus-Katakombe in Rom. Spannend und von erheblicher Bedeutung für die Wissenschaft war diese aber durchaus. Sie gilt als Beginn der wissenschaftlichen Katakombenforschung. Albert Altenähr, Abt der Abtei Kornelimünster, beschrieb 1991 die Umstände der Entdeckung des Corneliusgrabes und die Entschlüsselung der Inschriftfragmente in dem schon mehrfach zitierten Büchlein Das Grab des hl. Cornelius in der Callixtus-Katakombe zu Rom in so fesselnder und anschaulicher Weise, dass die Lektüre jedem zu empfehlen ist, der sich etwas näher mit der Materie befassen möchte. Nachstehend "in trockenen Worten" die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse daraus:
(Altenähr schreibt in seinen Ausführungen Cornelius immer mit C, obwohl heute in Kornelimünster überall die Schreibung mit K angewendet wird. Dies ist um so mehr anzuerkennen, als in den heutigen offiziellen deutschen Bibelausgaben, Messbüchern usw. konsequent die K-Schreibung zu finden ist.)

Die 1852 entdeckte Gruft des Papstes Cornelius in der Callixtus-Katakombe in Rom. Rechts im Bogen das Fresko mit Cornelius und Cyprian, davor die "Ölsäule". Zwischen beiden Fresken die Cornelius-Grabplatte. Darüber die Marmortafel mit der siebenzeiligen Inschrift, die Papst Damasus im 4. Jahrh. anbringen ließ.


Der Fund des Marmorbruchstücks
Im Mittelalter waren die Katakomben weitgehend aus dem Bewusstsein geraten. Ein erstes Werk über sie erschien in der Neuzeit, nämlich 1629. Die systematische, wissenschaftliche Katakomben-Forschung begann aber erst 1849, als der damals 27-jährige Archäologe Giovanni Battista De Rossi beim Durchstöbern von Schutt in einem verlassenen, dem Märtyrerpapst Xistus geweihten Kirchlein nahe der Via Appia das Bruchstück einer Marmortafel fand, die die Inschrift ...NELIUS MARTYR trug. De Rossi kombinierte sogleich, dass dies CORNELIUS bedeutete und dann auch die Gruft dieses Papstes nicht weit sein konnte. Wie er wusste, lag der Fundort über einer bisher unerforschten Grabanlage, in der er die Gräber der Päpste aus dem 3. Jahrh. vermutete. Auf seine Bitte hin kaufte der damalige Papst Pius IX. das Grundstück, so dass er mit Grabungen beginnen konnte. 1852 stieß er dabei auf einen Raum, der später zweifelsfrei als die Gruft des Papstes Cornelius identifiziert werden konnte.

Die aus zwei Bruchstücken bestehende Grabplatte für Papst Cornelius; das Wort MARTYR ist offenbar später zugefügt worden, da sich die Buchstaben EP (= Bischof) genau in der Mitte unter dem Wort CORNELIUS befinden. Darüber die von Papst Damasus angebrachte siebenzeilige Inschrift.


Zwei Fresken mit vier Heiligen
Rechts vom Grab entdeckte er ein Fresko mit zwei typisierten Heiligen in Bischofsgewändern im römisch-byzantinischen Stil. An der Seite des linken Heiligen stand geschrieben SCI CORNELII PP (= Sancti Cornelii Papae = des heiligen Papstes Cornelius). Neben dem anderen Heiligen waren die Buchstaben IPPI N zu erkennen, was er zu CIPRIANI ergänzte, also zum Namen des hl. Bischofs Cyprian, der meist zusammen mit Papst Cornelius verehrt wird. Die Schrift um das Fresko ließ sich trotz weit gehender Zerstörung als Psalm 116,2 identifizieren: QUID RETRIBVAM DNO PRO OMNIBUS QVAE RETRIBVIT MIHI (= Wie kann ich dem Herrn alles das vergelten, was er mir Gutes getan hat?).
Links vom Grab stellte ein ähnliches Bild ebenfalls zwei Heilige dar. Der eine war laut Inschrift der hl. Papst Xystus (Sixtus II.), der im Jahre 258 in der Callixtus-Katakombe mit seiner Gemeinde überrascht und auf der Stelle enthauptet worden war. Der andere dürfte wohl der hl. Bischof Optatus sein, über den wenig bekannt ist.
Wann die beiden Fresken gemalt worden sind, ist bis heute umstritten. De Rossi selbst tendiert dazu, ihre Entstehung in die Zeit des Pontifikats Leos III. (795–816) zu legen. Spätere Gelehrte nehmen eine frühere Entstehung an, nämlich schon im 6. Jahrh. oder allenfalls zu Anfang des 7. Jahrh. Jedenfalls ließ aber, wie der um 530 entstandene Liber Pontificalis berichtet, Papst Leo in verschiedenen Katakomben Renovierungsarbeiten vornehmen, darunter auch am "cimiterium beati Xysti atque Cornelii, via Appia" (= an der Katakombe der hl. Xystus und Cornelius an der Via Appia).
In der ebenerdigen Grabnische fand sich ein weiteres Bruchstück der Marmorplatte mit den Buchstaben COR und EP, das genau zum dem drei Jahre vorher gefundenen Fragment passte und nun die Inschrift
CORNELIUS MARTYR
EP
ergab.
(s. dazu das vorstehende Bild. Aus computertechnischen Gründen konnten die Buchstaben EP nicht unter die Mitte des Wortes Cornelius gesetzt werden.)

Die Inschrift des Papstes Damasus
Über der Grabnische fand De Rossi ein zweiteiliges Marmorfragment noch am ursprünglichen Platz vor, das den rechten Rand einer siebenzeiligen Inschrift umfasste. Später fand er im Schutt der Umgebung des Grabes noch neun dazugehörige Bruchstücke. Insgesamt ergaben aber all diese Fragmente nur etwas mehr als die Hälfte der Gesamtinschrift; vom linken Plattenteil war überhaupt nichts erhalten. Nach vielen Mühen gelang es De Rossi schließlich 1856, einen Gesamttext der Inschrift zu rekonstruieren, der trotz der vielen fehlenden Buchstaben im großen ganzen von der Wissenschaft akzeptiert ist. Er lautet in deutscher Übersetzung:
Sieh, eine Treppe ist gebaut, die Dunkelheit vertrieben.
Du siehst das Denkmal des Cornelius und sein heiliges Grab.
Dieses Werk ließ die Fürsorge des kranken Damasus ausführen,
damit ein leichterer Zugang gegeben und dem Volk
die Hilfe des Heiligen zugänglich werde, - und auch, wenn du mit reinem
Herzen bittest, Damasus wieder gesund sich erheben könne.
Ihn hält nicht die Liebe zum Licht, wohl aber die Verantwortung des Amtes.
Die Inschrift handelte also nicht von Cornelius, wie man zunächst vermuten konnte, sondern von den Arbeiten am Grab des Heiligen. Mit De Rossi besteht wohl heute Übereinkunft, dass Papst Damasus (366– 384), der auch andere Märtyrerkrypten erneuerte, die Inschrift nach umfangreichen Arbeiten an der Gruft anfertigen ließ, um vor allem Pilgern den Zugang zu erleichtern.


Die Inschrift des Papstes Siricius
Weiterhin fand De Rossi an der Brüstung des Grabes befestigt zwei große zusammenhängende Bruchstücke einer Platte. Andere Stücke hiervon waren nicht zu finden. Auf den beiden Teilen der Platte waren nur fünf Buchstaben voll erhalten und fünf weitere rekonstruierbar. Mit viel Mühe und Phantasie ergänzte er die Buchstaben zu einem Text, der auf deutsch wie folgt lautet:
Siricius vollendete das Werk
und hat mit einer Marmorplatte
das Grab des Cornelius verschlossen;
es enthält seine ehrwürdigen Gebeine.
Danach hätte also Papst Siricius (384–399), der Nachfolger von Papst Damasus, die Platte mit der Inschrift anfertigen lassen. Da aber der größte Teil der Inschrift zu ergänzen war, bleibt ein großes Fragezeichen.

Die Ölsäule
Rechts neben dem Grab vor dem Fresko mit Cornelius und Cyprian fand De Rossi auch eine gemauerte Säule von etwa 1 m Höhe. Ihr Sinn ist bis heute umstritten. Diente sie als Altar, um darauf die Messe zu lesen? War sie eine Art Ablage für Grabspenden? Oder war sie eine "Ölsäule" und hatte die Funktion eines Lampenträgers?
Die letztere Alternative hat wohl das meiste für sich. Ähnlich wie heute noch auf Friedhöfen ließ man nämlich in den Katakomben auf solchen Säulen Öllichter brennen oder sprengte mit dem Öl das Grab. Öle aus den Katakomben hatten für Pilger den Wert von Andenken und wurden wie Reliquien angesehen. Im Domschatz zu Monza bei Mailand befinden sich Öl-Ampullen aus den Katakomben, die Papst Gregor der Große um 600 der langobardischen Königin Theolinde geschenkt hatte. Laut der heute noch erhaltenen Begleitliste war darunter auch Öl vom Grab des hl. Cornelius.


Gefährliche Via Appia
Als im Oktober 1981 Jupp und Barbara Cornelissen aus Unna zu einer Tagung der Europäischen Alkoholunion in Rom waren, benutzten sie am letzten Tag ihres Aufenthalts die Gelegenheit, um die Via Appia und vor allem das Grab des hl. Cornelius zu besuchen. Sie hatten aber Pech. Die Führungen durch die Callixtus-Katakombe haben unterschiedliche Routen. An dem betreffenden Samstagvormittag ging der Rundgang nicht zum Grab dieses Papstes.
Dann hatten sie nochmals Pech: Nachdem sie im Hof einer urtümlichen Trattoria an der Via Appia im Schatten einer riesigen Wisterie italienisch zum Mittag gespeist haben, gehen sie zur nächsten Bushaltestelle, um den Bus zum Bahnhof Termini und von dort zum Flughafen zu nehmen. Aus einem vorbeifahrenden blauen Fiat lehnt sich der junge Beifahrer und fragt Barbara etwas auf Italienisch. Sie beugt sich zu ihm hin, um besser zu verstehen. In diesem Moment reißt ihr der Italiener die Schultertasche herunter, der Fahrer gibt Gas, und das Auto verschwindet in der nächsten Seitenstraße. Barbara und Jupp laufen noch hinterher in der Hoffnung, die Räuber würden die Tasche aus dem Wagen werfen, wenn sie merken, dass nichts Wertvolles darin ist. Aber vergeblich.
Die Versicherung ersetzte später den Verlust. Ärgerlich war es trotzdem. Außer der Tasche waren Barbaras Jacke weg, die wegen der Wärme darin steckte, und vor allem ein gerade erstandenes Heftchen über die Callixtus-Katakombe mit einem Bild vom Cornelius-Grab.
Dann ein halbstündiger Spurt Jupps - damals noch aktiver Jogger - quer durch das samstagsnachmittägliche Rom zur Polizei-Präfektur, um den Verlust anzumelden (er war dort nicht der einzige!). Mit etwas Glück konnten die beiden dann noch gerade die letzte Maschine des Tages nach Düsseldorf erreichen.


Weiter zum nächsten Kapitel: Erste Abbildungen aus dem 6. Jahrh.
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zur Zeittafel