Probleme der Rechtschreibung
Auch die Rechtschreibung trägt ihren Teil dazu bei, dass Cornelius/Cornelissen ein ungewöhnlich interessanter Name ist. Man hat es hier nämlich gleich mit zwei orthographischen "Dauerbrennern" zu tun, über deren Regelung man wohl nicht immer glücklich sein kann. Einmal geht es um die "sehr komplizierte" (so der Duden!) Schreibung des s-Lauts wie vor allem in Cornelissen, dann um die des C/K-Lauts.
Der vertrackte s-Laut
Für die Schreibweise des s-Lautes in Cornelissen findet man in Deutschland vier Versionen:
Cornelissen
Cornelißen
Cornelisen
Cornelihsen
Die Häufigkeit entspricht der vorstehenden Reihenfolge.
Warum diese unterschiedlichen Schreibungen? Was wäre orthographisch richtig (Familiennamen sind nämlich grundsätzlich unveränderlich)?
Die Deutschen tuen sich wohl schwer mit der Schreibung des s-Lautes. Wo andere Völker mit einem Zeichen auskommen, brauchten sie gleich drei oder gar vier. Ein Grund dafür liegt darin, dass in Deutschland Jahrhunderte lang zwei Schriften nebeneinander verwendet wurden, nämlich die lateinische Schrift, als Druckschrift Antiqua (= die "Alte") genannt, und die deutsche Schrift, als Druckschrift Fraktur (von lat.: brechen) genannt.
In der lateinischen Schrift, die 1941 auch in Deutschland allgemein als Schreibschrift (= "deutsche Normalschrift") eingeführt wurde, kennt man üblicherweise nur ein s-Zeichen. In der deutschen Schrift gab es dagegen das "lange s" =
und das "runde s " = . Das "lange s" stand am Silbenanfang und in der Silbenmitte, das "runde s" am Silbenende. Deswegen wurde das "runde s" auch "Schluss-s" genannt.
Das ß eine deutsche Spezialität
Darüber hinaus gab es in der deutschen Schrift schon seit dem 16. Jh. ein weiteres s-Zeichen, das ß. In der lateinischen Schrift kam es erst Ende des 19. Jh. auf. Darauf beruht auch wohl, dass es in beiden Schriften gleich ist. Heute ist das ß eine deutsche Spezialität. In anderen Sprachen existiert es offenbar nicht oder nicht mehr. Auch im Niederländischen oder Flämischen, also im Grunde niederdeutschen Dialekten, findet man dieses Zeichen nicht.
Vielleicht hängt dies auch mit der Schrift zusammen. Die Antiqua, die heute allgemein gebräuchliche (lateinische) Druckschrift, wurde Ende des 15. Jh. in Venedig aus der römischen und karolingischen Schrift entwickelt. Sie setzte sich in den romanischen Ländern und in England seit dem 16. Jh. durch. In Deutschland wurde sie zunächst bei lateinischen, seit 1800 auch bei wissenschaftlichen Texten verwendet, im Zeitungsdruck seit etwa 1930. Die deutsche Druckschrift, die Fraktur, ist eine im 16. Jh. geschaffene Form der gotischen Schrift. Sie war auch im polnischen, tschechischen, litauischen, schwedischen und finnischen Sprachbereich verbreitet.
Dass man mit dem ß wohl immer seine besonderen Schwierigkeiten hatte, zeigen auch die unterschiedlichen Bezeichnungen: scharfes Es, Eszett, Ringel-Es, Dreifach-Es (weil man auch die Ziffer 3 aus dem Zeichen lesen kann). Vor allem der Ausdruck "Eszett" für ß ist irreführend. Er erklärt sich dadurch, dass in der Fraktur das ß ähnlich aussieht wie ein "langes s", verschmolzen mit einem z.
Kein Großbuchstabe
Diese Ausdrucksweise mag im 19. Jh. mit dazu beigetragen haben, dass Druckereien, wenn sie keine großen Lettern für das ß hatten, stattdessen sz schrieben, z. B. beim Wort "Miszverständnis" in einer Überschrift. Schrieb man in Großbuchstaben, kam man ohnehin in Schwierigkeiten. Vom ß existiert - als einzigem Buchstaben! - bis heute kein Großbuchstabe. Früher nahm man dann üblicherweise die Großbuchstaben S und Z.
Überschrift aus dem 1844 erschienenen Roman
Die Mysterien von Berlin von August BRASS
(Schreibung von 1901 bis zur Rechtschreibreform zum 1.8.1998: Mißverständnis
heute: Missverständnis)
Ein anderes Beispiel: Auf dem Umschlag des 1911 in Esslingen am Neckar erschienenen Bildbandes Volkskundliche Kunst aus Elsaß-Lothringen heißt es, in Großbuchstaben geschrieben:
ELSASZ-LOTHRINGEN und ESZLINGEN A. N.
Im Text innerhalb des Buches wird jeweils Elsaß-Lothringen und Eßlingen geschrieben. Die Stadt beseitigte 1964 die Schreibprobleme, in dem sie das ß in ss umwandelte und sich seitdem Esslingen schreibt.
Heute ist nach § 25 der neuesten amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung, wenn kein ß zur Verfügung steht, ss zu schreiben. In der Schweiz kann man allerdings immer ss schreiben. Laut neuestem Duden (Briefe gut und richtig schreiben!, Ausgabe 1997) kann man in Dokumenten bei Namen aus Gründen der Eindeutigkeit auch ß verwenden: Beispiel GOTTFRIED CORNELIßEN.
Um alles noch weiter zu komplizieren, fing man im 19. Jh. damit an, in der lateinischen Handschrift das ß nach kurzem Vokal am Silbenende als zu schreiben, fälschlicherweise "Ha-es" genannt. Das vermeintliche "Ha" - es ähnelt sehr dem entsprechenden Buchstaben der deutschen Schreibschrift - ist aber nichts anderes als das (bogig geschriebene) "lange s".
Und genau mit diesen Problemen, allen vier Schreibarten des s-Lautes, dazu noch das Doppel-s, hat es der Name Cornelissen im Deutschen zu tun.
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