Irland: Cornelius Anglisierung von Connor
Im heutigen - immer noch vergleichsweise streng katholischen - Irland trifft man vereinzelt auf den Vornamen Cornelius. Die Überraschung: Er hat überhaupt nichts mit Papst Cornelius oder einem anderen Heiligen dieses Namens zu tun. Vielmehr handelt es sich um die Anglisierung, also das "Einenglischen" eines der häufigsten irischen Vornamen nämlich Connor. Das Phänomen ist begründet in der wechselvollen Geschichte Irlands, bei der die ursprünglich keltische Sprache des Landes im Laufe der Jahrhunderte immer mehr durch die englische Sprache verdrängt wurde. In diesem Prozess wurden auch irische Namen in großem Umfang anglisiert, so auch ein irisch-gälischer Name von großer Bedeutung in der irischen Mythologie, nämlich Conchubhar oder Concobhar zu Connor und schließlich - wegen der lautlichen Ähnlichkeit - zu Cornelius.
Dies ergibt sich eindeutig aus dem 1990 in Belfast erschienenen Book of Irisch Names von Ronan COGHLAN et al., wo es zum Namen Connor heißt (vom Verfasser übersetzt):
Con(n)or (concobhar) (m) Hundefreund. Ein irischer Vorname, der zu dem Familienname OCon(n)nor führte, heute einer der verbreitetsten in Irland. Con(n)or selbst wird ständig als Vorname verwendet, aber früher sah es so aus, als würde er ersetzt durch Cornelius, der zu seiner Anglisierung verwendet wurde. Conor mac Nessa war ein König von Ulster. Conor Cruise OBrian ist ein heutiger Staatsmann und Autor. Varianten sind Conquhare, Constantine, Cornelius, Crogher und Crohoore. Conchobarre ist eine weibliche Form.
Im selben Werk heißt es unter dem Stichwort Cornelius:
Cornelius (m) Lateinisch vielleicht Gehörnter. Dieser Name wurde verwendet, um Connor zu anglisieren. Er scheint jetzt im Verschwinden zu sein. Solche Pseudo-Übersetzungen (Jeremiah ist ein anderes Beispiel) werden jetzt als altmodisch angesehen.
Namenskarte, wie man sie auch in Irland für alle bekannten Vornamen kaufen kann, für den dort häufigen Vornamen Conor oder Connor. Danach ist Cornelius eine der Varianten des Namens. (Karte von 1994)
Seit Jahrhunderten anzutreffen
Wie hierzu ergänzend in dem Buch Irish Names von Donnchadh OCorráin, Dublin 1990, ausgeführt wird, erfolgte die Anglisierung von Connor zu Cornelius schon im 15. Jahrh. Dort wird neben Cornelius auch Neil als Ableitung aus der ursprünglichen Form Conchobar angegeben. Wie aber weiter vorn im Kapitel "Unechte" heilige Corneliusse ausgeführt, gab es schon im 12. Jahrh. in Irland einen heiligen Bischof Cornelius, dessen Name möglicherweise von Conar abgeleitet wurde. Auch im 16. und 17. Jahrh. war der Name Cornelius in Irland nicht unbekannt, wie zwei Personen zeigen, die im britischen Dictionary of National Biography, 1887, ausführlich behandelt werden, nämlich:
Cornelius Mahony, auch genannt Cornelius à Sancto Patricio (= C. vom heiligen Patrick), ein irischer Jesuit, der in Lissabon wohnte und 1645 ein Buch über die Rechte der irischen Katholiken veröffentlichte (s. anschließendes Kapitel über Cornelius in England) sowie
John Cornelius (1557–1594), ein katholischer Priester irischer Abstammung, der während der Katholikenverfolgung unter Königin Elisabeth I. gehängt und später heilig gesprochen wurde (s. Kapitel "Unechte" heilige Corneliusse).
Im einschlägigen britischen Schrifttum, nämlich The Oxford Dictionary of English Christian Names, 3. Ausgabe 1993, wird diese Entwicklung bestätigt: Die Vornamen Cornelius und Corney seien in Irland in Gebrauch gekommen, um das irische Conchubhar oder Conn zu übersetzen. Es heißt sogar, diese Namen, seien dort "oft" anzutreffen.
Auch aus einem anderen britischen Werk The Guinness Book of Names von Leslie DUNKLING, Ausgabe 1993, lässt sich entnehmen, dass Cornelius in Irland nicht ganz selten ist. Unter den 23 typisch irischen Jungennamen ("Some Irish first names for boys"), die die Autorin aufführt, findet sich auch Cornelius. Als Namenserklärung heißt es: "Lateinisch ´Horn´, ein römischer Geschlechtername". Papst Cornelius wird jedoch nicht erwähnt. Bei der entsprechenden Liste für Mädchennamen ist keine Cornelia aufgeführt.
Abgekürzt Corn,s
Dass der Vorname Cornelius durchaus noch in Irland existiert, konnte der Verfasser 1995 bei einer Urlaubsreise nach Irland feststellen. Durch Zufall entdeckte er den Namen an einem wunderschönen Ort, nämlich auf dem kleinen Friedhof im Killarney National Park in der Grafschaft Kerry. Auf einem Grabstein unmittelbar gegenüber dem Kirchenportal der Ruinen des 1448 gegründeten Franziskanerklosters (Muckross Friary) war zu lesen:
In Loving Memory of
Dan, Hurly who died 1817
Aged 22 yrs Erected by
his Father & Uncle Batt &
Corn,s Hurly & Family
Corn,s ist dabei offensichtlich die Abkürzung für Cornelius.
Auf dem Grab befindet sich weiter vorn noch eine kleine Steinplatte mit der Inschrift:
CORNELIUS HURLY
HENN STREET
DIED 17th OCT 1940
his wife ELISABETH
DIED 16th MAY 1971
Grabplatte für den 1940 verstorbenen Cornelius Hurly im Killarney National Park, Irland (Foto August 1995).
In der Inschrift auf einem anderen Grabstein fand sich unter mehreren anderen Namen
CORNELIUS CASEY 14. OCT 1931
Made by Cornelius Goggin & Co.
Im Muckross House ganz in der Nähe waren Beispiele einer irischen Spezialität ausgestellt, nämlich Schmuckstücke aus Eichenholz, das im Moor gefunden wurde und mehrere Tausend Jahre alt ist ("Bog Oak Jewellery"). Laut Angabe auf der Vitrine trug Königin Victoria von England, als sie 1861 Irland besuchte und dabei auch auf diesem Landsitz wohnte, eine goldgefasste Brosche aus diesem Bog Oak, angefertigt von einem "Cornelius Goggin & Co., Dublin".
Als der Verfasser dann nahe Kinsale in der Grafschaft Cork bei einer Familie "Bed und Breakfast" nahm, stellte sich heraus, dass eines der Kinder mit Vornamen Cornelius hieß. Dieser Name - so wurde erklärt - sei schon seit Generationen in der Familie üblich. Man kannte aber aus dem Bekanntenkreis sonst niemanden, der den Namen Cornelius trug. Dies führte man darauf zurück, dass hierfür üblicherweise die Kurzform Con oder Conny verwendet würde.
Dass der Vorname Cornelius nicht in Vergessenheit geriet, dafür sorgte der 1920 in Dublin geborene Bestseller-Autor Cornelius Ryan (1974 in New York). Während des 2. Weltkrieges war er Kriegsberichterstatter und wurde weltweit berühmt durch das Buch Der längste Tag über die Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944.
Weiter zum nächsten Kapitel: Ein englischer Cornelius schon im 15. Jahrh.
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