Die Mutter der Gracchen und andere berühmte Cornelias
Cornelia (um 190–um 120 v. Chr.), Tochter des P. Cornelius Scipio Africanus, war eine der großen Frauen des Altertums und wohl die angesehenste Frau Roms. Noch zu ihren Lebzeiten wurde für sie eine Ehrensäule mit der Inschrift "Der Mutter der Gracchen" aufgestellt. Cicero rühmte ihre Briefe wegen der Schönheit der Sprache. Aus der nachstehenden Beschreibung dieser Cornelia im Großen Brockhaus von 1933 lässt sich erahnen, welch bedeutende Rolle sie und ihr Geschlecht in der römischen Geschichte spielte:
Cornelia, edle Römerin, die jüngere Tochter des älteren Publius Cornelius Scipio Africanus, die Mutter der Gracchen, erscheint in den Anfängen der röm. Revolutionszeit als das Muster einer vornehmen, hochgebildeten und begabten röm. Frau. Ihrem viel älteren Gatten Tiberius Sempronius Gracchus (Konsul 177 und 163 v. Chr.) schenkte sie zwölf Kinder, von denen aber nur drei am Leben blieben, eine Tochter Sempronia, die später den jüngeren P. Cornelius Scipio Africanus heiratete, und die Söhne Tiberius und Gajus Sempronius Gracchus. Ihrer Erziehung widmete sie ihr Leben und schlug die Hand des Königs Ptolemäus Physkon von Ägypten aus. Mit ihren Söhnen und deren großartigen Reformplänen stand sie in enger innerer Verbindung; einige Bruchstücke von Briefen an Gajus sind noch bei Cornelius Nepos erhalten und mit Unrecht als unecht verdächtigt worden. Sie überlebte beide Söhne und ertrug deren tragischen Untergang mit stolzer Fassung.
Der berühmte römische Politiker, Philosoph und Dichter Seneca (um 4 v. Chr.–65 n. Chr.) führte in seinen Trostschriften an Frauen das Beispiel von Müttern an, die ihre Kinder hatten sterben sehen. Dabei weist er vor allem auf Cornelia hin, die Mutter der Gracchen, die zehn ihrer zwölf Kinder hatte begraben müssen, bevor auch die letzten starben – durch Mord.
Meyer’s Konversations-Lexikon von 1863 überliefert zu ihr noch eine kurze Anekdote:
Als eine kampanische Dame sie nach ihrem Schmuck fragte, sagte sie, auf ihre Kinder zeigend: "Diese sind mein Schmuck".
Diese Begebenheit wird auch in dem 1851 erschienenen Roman Cornelia geschildert, dort aber in romanhaft ausgedehnter Form.


Ein um 1785 entstandenes Gemälde von Angelika Kauffmann (1741—1807),
heute im Virginia Museum of Fine Arts in Richmond.
Während ihre Freundin mit dem eigenen Schmuck prahlt, kennt Cornelia nur einen Stolz: ihre Kinder
(aus Sven Rausch: 50 Klassiker — Römische Antike, Hildesheim 2009)

Lesenswert zum Thema sind die Ausführungen über Cornelia in dem 2009 erschienenen Werk 50 Klassiker — römische Antike von Sven RAUSCH. Cornelia, "die Mutter der römischen Bürgerkriege", könne in gewisser Hinsicht als "Mittelpunkt" des 2. Jahrhunderts v. Chr. angesehen werden, denn sie sei mit sämtlichen bedeutenden Persönlichkeiten dieser Epoche direkt verwandt gewesen. Sie sei "die erste historisch fassbare Frau im antiken Rom" gewesen. Ihr - in seiner Echtheit umstrittene - Brief an ihren Sohn Gaius Gracchus sei zudem der einzige erhaltene, von einer römischen Frau verfasste Prosatext. In dem Werk werden unter den 50 Klassikern noch drei weitere Träger des Namens Cornelius behandelt: Cornelius Scipio Africanus der Ältere, Cornelius Sulla und Cornelius Tacitus.

Nach der Mutter der Gracchen erhielt auch ein Asteorid, ein um die Sonne kreisender Kleinplanet, der 1896 von dem französischen Astronomen Auguste Charlois entdeckt wurde, den Namen Cornelia.


"lebendig vergraben"
Neben der berühmten Mutter der Gracchen gab es noch mehr bedeutende Römerinnen namens Cornelia. Zedler’s Universal Lexicon, anno 1733, führt hierzu fünf "Frauenzimmer" auf, allen voran Cornelia (94–69/68 v. Chr.), die erste Frau Cäsars:
Cornelia, eine Römische Dame, wurde an Julium Caesarem verheurachet, der mit ihr Juliam, des Pompeji Gemahlin, zeugete. Caesar hielte ihr selbsten, seine Liebe gegen sie zu bezeigen, die Leichen=Rede, und berief ihren Bruder Cinnam wieder aus dem Exsilio, ums Jahr 708 nach Erbauung der Stadt Rom.
Cornelia, Metelli Scipionis Tochter und Pompeji Gemahlin, war ein gelehrtes Frauenzimmer, verstunde sich wohl auf die Geometrie, war in der Music erfahren, und machte einen nicht unangenehmen Vers.
Cornelia, eine Römerin und Gemahlin Publii Sixti, deren Cuero in seinen Episteln gedencket.
Cornelia, eine aus dem Geschlechte derer Cossorum, wurde zu denen Zeiten des Kaysers Neronis eine Vestalische Jungfrau.
Cornelia, mit dem Zu=Namen Maximilla, war eine Vestalische Jungfrau, und wurde unter dem Kayser Domitiano wegen falsch beschuldigter Unzucht lebendig vergraben.
Von den vorstehenden Römerinnen dürften vor allem zwei durch Romane und Filme immer wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden: Cornelia, Tochter des Cornelius Cinna (gestorben 84 v. Chr.), die erste Frau des damals erst 16-jährigen Cäsars (102–44 v. Chr.), die ihm seine einzige Tochter gebar, sowie Cornelia Metella, die zweite Frau des Gnaeus Pompejus Magnus (106–48 v. Chr.), des späteren Gegenspielers Cäsars.

Und eine Giftmischerin
Da die Römerinnen neben ihrem Vornamen den Namen ihres Familiengeschlechts in der weiblichen Form (also bei den Corneliern Cornelia statt Cornelius) trugen, auch nach der Verheiratung, wird es eine große Anzahl Cornelia gegeben haben, und dies Jahrhunderte hindurch. Da sie in der Öffentlichkeit nicht eine so große Rolle wie die Männer spielten, sind uns allerdings weit weniger Namen überliefert. Der Index Bio-Bibliographicus notorum hominum (= Bio-bibliografisches Verzeichnis bekannter Persönlichkeiten) von Jean-Pierre LOBIES und Denise MASSON-STEINBERT (Osnabrück 1987), das wohl umfangreichste Fundstellenverzeichnis historischer Persönlichkeiten, führt aus der römischen Antike über 60 Cornelias auf, anscheinend meist die Frauen oder Töchter bedeutender Römer. Neben den Vorgenannten befindet sich darunter auch eine Giftmischerin, über die der römische Geschichtsschreiber Titus Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.) berichtet. In Meyer’s Konversationslexikon von 1863 liest sich dies so:
Cornelia, römische Patricierin, berüchtigte Giftmischerin, vergiftete um 331 v. Chr. zur Zeit einer Seuche im Verein mit 20 anderen römischen Frauen mehre hundert (nach Einigen 170, nach Anderen 370) Patricier. Eine Sklavin verrieth endlich das Treiben der mörderischen Weiber; sie wurden bei der Bereitung des Giftes überrascht u. gaben sich durch dasselbe sogleich selbst den Tod."

Kaiserin Julia Cornelia Salonina
Unter den vielen Cornelias gab es auch eine Cornelia, die römische Kaiserin wurde. Von ihr ist sogar noch eine Statue vorhanden. Es handelt sich um Julia Cornelia Salonina, Frau des Kaisers Publius Licinius Egnatius Gallienus, der von 260 bis 268 regierte. Sie begleitete ihren Mann auf Feldzügen und Reisen. Ihre Ehe galt aus ausgesprochen glücklich. Sie wird als eine gebildete, feinsinnige Griechin geschildert, die von der neuplatonischen Philosophie des Plotin sehr beeindruckt war. Wahrscheinlich stand sie auch dem Christentum nahe. Zusammen mit ihrem Mann fiel sie 268 n. Chr. vor Mailand einem Attentat zum Opfer.
Kaiserin Julia Cornelia Salonina, gestorben 268 n. Chr. Statue in Sankt Petersburg
(aus dem 2001 erschienenen Bildlexikon antiker Personen von German Hafner)


Cornelia Lex, Cornelia tribus, via Cornelia
Auch eine ganze Anzahl römischer Gesetze tragen den Namen des Cornelier-Geschlechts, so die Cornelia Lex de Captivis, die Cornelia Lex de Edictis Perpetuis und die Cornelia Lex de Lusu, durch die, wie Zedler’s Universal Lexicon ausführt, "verboten wurde, um Geld zu spielen oder zu wetten, wenn es nicht ein Spiel wäre, dadurch man seine Tapferkeit zeigen könnte". Dieses Lexikon von 1733 führt noch 24 weitere Gesetze unter dem Namen Cornelius auf. In Rom trug nämlich üblicherweise ein Gesetz den Namen desjenigen, der es erlassen hatte.

Eine der 35 römischen Bürgerschaften, der so genannten Tribus, und zwar eine der vier ältesten, war ebenfalls, seit mindestens 495 v. Chr., nach den Corneliern benannt und hieß Cornelia tribus. Von einem der Stadttore Roms, der Porta Cornelia, verlief die via Cornelia als eine der großen Ausfallstraßen am heutigen Vatikan vorbei nach Westen


Verstorbene bestattet, nicht verbrannt
Unter dem Stichpunkt Cornelische Familie findet sich in Zedler’s Universal Lexicon auch folgender Satz:
"Sonst ist bey dieser Familie merckwürdig, daß sie keinen Verstorbenen nach damahliger Gewohnheit verbrennen, sondern alle begraben laßen, und ist L. Cornelius Sylla der erste, welcher auf sein Verlangen nach dem Tode verbrannt worden."
Aus welchem Grund die Cornelier in den frühen Jahrhunderten ihre Toten nicht einäscherten, wie damals bei den Römern üblich, scheint nirgendwo erklärt zu sein.
Eine ausgedehnte Grabanlage der Cornelier, und zwar ihres berühmtesten Zweiges, der Scipionen, befindet sich in Rom an der via Appia Antica. Sie wurde 1616 unter einem römischen Haus aus dem 3. Jh. entdeckt, dann erneut 1780. 1926 wurde sie renoviert und gehört heute unter dem Namen Sepolcro degli Scipioni zu den bekanntesten Monumenten dieser berühmten Straße. Vom 3. bis zum Anfang des 1. Jh.s v. Chr. wurden hier Scipione bestattet. In der unterirdischen Anlage befinden sich etwa 30 Sarkophage, teilweise mit Inschriften versehen. Darüber hinaus gibt es dort noch einige Gräber mit eingeäscherten Toten aus späterer Zeit, nämlich der Kaiserzeit (circa 1 bis 375 n. Chr.). Hierbei handelt sich um Vertreter des Cornelier-Zweiges der Lentuli, die möglicherweise die Grabstätte geerbt hatten und in der Nähe ihrer berühmten Verwandten ruhen wollten (ital. Wikipedia vom 14.10.2011: Sepolcro degli Scipioni)

Pompeji: früher Colonia Cornelia
Das berühmte Pompeji südlich des heutigen Neapel, das im Jahre 79 n. Chr. durch den Ausbruch des Vesuv völlig zerstört wurde und heute eines der Pilgerstätten des internationalen Tourismus ist, hieß mit vollem Namen Colonia Veneria Cornelia Pompeianorum, so aber erst seit 89 v. Chr. Die bis dahin selbständige Stadt hatte im Jahre 91 v. Chr. zusammen mit anderen italischen Orten dem schon damals mächtigen Rom den Krieg erklärt, weil es unabhängig von Rom sein wollte. Sie wurde daraufhin von römischen Truppen unter Führung des berühmt-berüchtigten Lucius Cornelius Sulla (138–78 v. Chr.) belagert und 89 v. Chr. eingenommen. Anschließend wurde sie römische Kolonie und erhielt zu Ehren des siegreichen Feldherrn den Namen Colonia Cornelia.
Ebenfalls nach Cornelius Sulla war die heutige Stadt Imola in Norditalien benannt. Er hatte den Ort um das Jahr 80 v. Chr. zur Stadt erhoben, die seitdem den Namen Forum Cornelii trug (s. auch "Then you must like our town"). Ferner hieß in der Antike ein Ort an der nordafrikanischen Küste unweit Karthago Castra Cornelia oder Cornelia Castra . Hier war Cornelius Scipio Africanus (gestorben 183 v. Chr.) im 2. Punischen Krieg gelandet und hatte ein Lager angelegt.

Im Münchener Residenzmuseum
Wenn auch die Zeiten der weltberühmten Cornelier zweitausend Jahre zurückliegen, durch die Begeisterung für die Antike im 16. bis 19. Jh. bleibt doch so manches aus jener Zeit sehr "anschaulich": Im Antiquarium des Münchener Residenzmuseums sind noch Porträtbüsten großer Cornelier zu sehen - wie ähnlich sie auch immer der historischen Persönlichkeit sein mögen. Gleich rechts vom Eingang ist der Kopf von Kaiser Valerian (253–260) zu sehen. Inschrift: P. CORNEL. LICINIUS VALERIAN IMPERATOR. Links am Ende der Treppe stehen nebeneinander Büsten von zwei berühmten römischen Konsuln: "P. CORNELIUS SCIPIO AFRIC. CONSUL ROM." (gestorben 183 v. Chr.) und P. CORNELIUS LENTULUS CONSUL ROMANUS" (gestorben 47/46 v. Chr.).



In Valencia Grabstein für eine Cornelia
Als die Cornelissen aus Unna Weihnachten 2005 in Valencia erleben, besuchen sie dort auch das Museum de Bellas Artes, eines der größten Kunstmuseen Spaniens, das auch eine kleine archäologische Abteilung umfasst. Während sie den grünen Innenhof des um 1700 erbauten ehemaligen Priesterseminars bewundern, fällt Barbara ein kleines Museumsschild mit dem Namen "Cornelia" über einem grauen Steinblock ins Auge. Danach handelt es sich um einen Grabstein (= Ara funeraria) aus weißem Marmor für eine D.M. CORN(ELIAE) aus dem 2. Jh. n. Chr. Er war 1889 als Teil einer Mauer in Lliria (etwa 20 km nordwestlich von Valencia) gefunden und dem Museum geschenkt worden. Der reich verzierte Stein in den Maßen 44 x 72 x 33 cm trägt in der Mitte eine römische Inschrift, die etwa so zu lesen ist:
D M
CORN PANTH
ERAE UXORI
OPTIMAE
LICNICO MED
ES FT SI BI
Zur Übersetzung von römischen Grabinschriften sind Spezialkenntnisse erforderlich, die der Verfasser nicht hat. Klar ist nur, dass das Wort Corn die Abkürzung für Cornelia ist und diese eine Ehefrau (= uxor) war. Spanien war im 2. Jh. eine blühende römische Provinz, aus der berühmte Römer wie Seneca und die Kaiser Trajan, Hadrian und Theodosius hervorgegangen sind.
Ob es sich bei der toten Cornelia um eine Angehörige des berühmten Cornelier-Geschlechts handelt, ist sehr fraglich. Eher könnte sie aus einer Familie von Freigelassenen stammen. War es doch im römischen Reich üblich, dass Freigelassene den Geschlechternamen des Freilassenden annahmen.



Römischer Grabstein in Valencia aus dem 2. Jh. n. Chr.
für eine Ehefrau Cornelia. (Foto 29.12.2006)



Corneliengüter
Ein Begriff, der heute nicht mehr im deutschen Recht verwendet wird und dessen Herkunft unklar zu sein scheint. Jedenfalls führt Pierer’s Universal-Lexikon von 1858 dieses Stichwort auf. Dort heißt es:
Corneliengüter, Grundstücke, von denen Leibeigene dem Grundherrn sogenanntes Hauptrecht od. einen Zins geben.

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