Cornelienkirche in Bad Wimpfen
Nach römischer Ansiedlung benannt?
Trotz ihres Namens reiht sich die Wimpfener Cornelienkirche nicht in die hier behandelten Kirchen ein, die Cornelius zum Pfarrpatron haben. Ob sie überhaupt etwas mit Papst Cornelius zu tun hat, ist höchst zweifelhaft. Sie liegt im Stadtteil Bad Wimpfen im Tal nicht weit vom Neckar am östlichen Ortsausgang. Der rechteckige, aus Bruchsteinen errichtete, unverputzte Bau in gotischem Stil besitzt keinen Turm, sondern trägt nur einen kleinen, spitzen Dachreiter über dem Chor. In den 1980er Jahren wurde die Kirche renoviert. Der Überlieferung nach hat in der Kirche 1622 im Dreißigjährigen Krieg der Feldherr und kaiserliche Generalissimus Tilly vor der Schlacht bei Wimpfen gebetet und den Aufmarschplan entworfen, weshalb sie im Volksmund auch "Tillykapelle" heißt. Sie wurde, legt man die Jahreszahl in der Inschrift am Nordportal zugrunde, im Jahre 1476 erbaut. Der Baedeker von 1956 nennt - allerdings versehen mit einem Fragezeichen - als Baudatum das 13. Jahrh.
Im Innern der sonst einfachen, aber wohlproportionierten Kirche sind an der Südwand bemerkenswerte Fresken vom Ende des 15. Jahrh. erhalten geblieben, u. a. wird in acht Bildern die Schöpfungsgeschichte dargestellt.



Die gotische, der hl. Maria geweihte Cornelienkirche von Bad Wimpfen. (Foto März 1993)


Rätselhafte Inschrift
Der Name "Cornelienkirche" wirft eine Anzahl Fragen auf. Die Kirche ist nicht dem hl. Cornelius geweiht, sondern laut Portalinschrift der hl. Maria ("ecclesia beatae Mariae virginis"). Es finden sich auch sonst keinerlei Anzeichen, die auf eine Verehrung des hl. Cornelius am Ort schließen lassen. Allerdings war im Mittelalter in dieser Gegend, wie die vorstehend behandelten Kirchen zeigen, der Cornelius-Kult durchaus verbreitet. Wahrscheinlich hat die Bezeichnung Cornelienkirche mit der Inschrift auf dem Nordportal zu tun. Im Türsturz unter dem Oberteil des Portals, das die Verkündigung Mariens darstellt und vom Baedeker als "beachtenswert" beurteilt wird, ist nämlich folgende Inschrift in gotischen Lettern eingemeißelt:
1476 hie solt ir schawen die gan
zu cornelia unser lieben frawen

Cornelia soll der Name für den Hauptort der römischen Civitas Alisinensium gewesen sein, auf deren Fundamenten sich der heutige Stadtteil Bad Wimpfen im Tal befindet. Wie Josef VASSILLIÈRE in der Schrift Ein Bummel durch Wimpfen, 1984, ausführt, handelte es sich um eine bedeutende römische Niederlassung. Wenn auch die Anfänge der Talstadt in Dunkel gehüllt seien, sei sie doch "die größte derartige Siedlung in der Gegend" gewesen und habe wahrscheinlich noch bis zu Anfang des 10. Jahrh. bestanden. Günther HABERHAUER, der Stadtarchivar von Bad Wimpfen, teilte hierzu auf Anfrage 1993 mit, der Name Cornelia sei für das römische Kastell nicht belegbar. Dieser erscheine erstmals Ende des 13. Jahrh. bei dem Chronisten des ebenfalls in Wimpfen im Tal gelegenen Chorherrenstiftes St. Peter namens Burkhard von Hall (gemeint ist Schwäbisch Hall). Alle weiteren Nennungen gingen auf ihn zurück. Leider seien bislang alle Versuche gescheitert, einen anderen Nachweis zu erbringen, so dass heute die Meinung vertreten werde, bei Burkhard könne eine Verwechslung vorliegen. Die Inschrift am Nordportal von 1476 sei "nicht erklärbar und gehe sicher auch auf die Überlieferung Burkhards zurück, daß die Talstadt zur Römerzeit Cornelia geheißen habe". In dem 1991 erschienenen Büchlein Wimpfen — Geschichte und Kunstdenkmäler von Fritz ARENS und Reinhold BÜHRLEN heißt es zur Kirche noch weiter: "Tatsache ist, daß die Cornelienkirche schon lange vor dem heute stehenden Bau von 1476 vorhanden gewesen sein muß. 1444 wird die ecclesia beatae Mariae virginis alias ad Corneliam nominata erstmalig genannt." (Wörtliche Übersetzung des lateinischen Textes: Kirche der seligen Jungfrau Maria oder Kirche zu Cornelia — oder: Cornelia-Kirche — genannt).

Es bleiben also Fragen. Wenn eine Verwechslung Burkhards vorlag, womit hat er dann Cornelia verwechselt? Überraschen würde der Name Cornelia für eine römische Ansiedlung nicht. Im römischen Reich war es durchaus üblich, eine Stadt nach dem Gründer - oder Eroberer - zu benennen. Im Fall Wimpfen könnte es jemand aus dem berühmten Geschlecht der Cornelier gewesen sein, wobei Cornelia die Kurzform eines längeren offiziellen Namens gewesen wäre. Beispiele gibt es: Pompeji hieß früher Colonia Cornelia, die Stadt Imola in Norditalien Forum Cornelium und in Nordafrika beim antiken Karthago lag Castra Cornelia.

Frühere Stadtansicht: "Cornelia — Wimpffen"
In früheren Jahrhunderten hatte man offenbar weniger Zweifel, dass die römische Ansiedlung den Namen Cornelia trug. Zwei alte Stadtansichten von Wimpfen, eine von 1896, die aber auf einem verschollenen Original von 1647 beruht, und eine von 1730 tragen groß als Namen: WIMPFFEN — CORNELIA bzw. CORNELIA — WIMPFFEN.
Die Hauptstraße von Wimpfen im Tal, die durch das Gebiet der früheren römischen Ansiedlung läuft und ganz in der Nähe der Cornelienkirche liegt, nennt sich Corneliastraße.
Ob sich der Name der Kirche oder der römischen Siedlung auch auf die Wahl der Vornamen in Wimpfen ausgewirkt hat, steht dahin. Immerhin ist auf dem Denkmal für die Gefallenen und Vermissten des 2. Weltkrieges in der Nähe des Westportals ein Carle Cornelius (Cornelius ist hierbei Vorname) aufgeführt.
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