"Am Fastensonntag (Invokavit) werden die Burschen durch ihre Mädchen bewirtet; er wird Kuchlessunntig genannt. Aus der Mode ist der Kuechlestruß, feine Zweige (dünner Blütenzweig) vom Derlitzenkirschbaum, der in Teich getaucht und in kochendes Fett zum Backen gehalten wurde (Baden; Meyer 1900, 210)."
(Enttäuscht war daher der Verfasser, als er im Oktober 2007 mit einer Reisegruppe die Westtürkei von Istambul bis Antalya bereiste und dabei auch Troja und anderer historische Orte besuchte: Er konnte keine Kornelkirschen entdecken, weder in der freien Landschaft noch in Parks. Wo sind sie geblieben? Auch der türkische Reiseleiter, ein ansonsten sehr kundiger Mann, schien den Strauch nicht zu kennen.)"Weinend ließen sie sich einsperren, da schüttete Kirke
Ihnen Eicheln und Buchenmast, und rote Kornellen
Vor, das gewöhnliche Futter der erdaufwühlenden Schweine".
Homers Erwähnung der Kornelle an dieser Stelle könnte jedoch ein bewundernswertes, scharfsinniges Gedankengebäude zum Einsturz bringen. Dr. Hans STEUERWALD, Richter am Berliner Kammergericht, hatte 1978 in dem Buch Weit war sein Weg nach Ithaka neue Forschungsergebnisse beweisen; Odysseus kam bis Schottland diese Theorie aufgestellt und durch unzählige Fakten untermauert. Danach soll Kirke auf der Insel Fair im Norden Schottlands gewohnt haben. Der Verfasser nahm Steuerwalds Buch 1999 mit auf eine Schottlandreise und wollte die gewagte Theorie an Ort und Stelle nachvollziehen. Zunächst eine Enttäuschung: In Schottland an den angeblichen Orten von Odysseus Aufenthalt, war das Buch unbekannt; es ist leider nie ins Englische übersetzt worden. Da sich der Verfasser wegen seines Namens näher mit der Kornelkirsche befasst hatte, waren ihm bei der Lektüre gleich Zweifel gekommen. War ihm doch geläufig, dass die nördlichste Verbreitung der Kornelkirsche auf der Linie Jena - Bonn - Brüssel lag und nicht bis Großbritannien hinaufreichte. Nachforschungen vor Ort bestätigten diese Zweifel. Heute gibt es zwar die Kornelkirsche in Schottland, aber angepflanzt; sie war dort nie heimisch. Oder gab es sie dort doch vor gut 3.000 Jahren, als die Irrfahrten des Odysseus vermutlich stattgefunden haben? Vielleicht aufgrund besserer Klimaverhältnisse, denn vor 7.000 bis 5.000 Jahren sollen die mittleren Jahrestemperaturen wahrscheinlich um 1 bis 2 Grad über den heutigen Werten gelegen haben? Dieser Beweis müsste aber noch geliefert werden. Scheitert nun Steuerwalds Theorie an der kleinen Kornelkirsche? Als der Verfasser Anfang 2010 die neueste Ausgabe des Standardwerks ZANDER, Handwörterbuch der Pflanzennamen, - es war die 18. Auflage von 2008 - nach Cornus und speziell nach Cornus mas ( = Kornelkirsche) durchsah, entdeckte er dort einen Zusatz: "nat. in BrI". Er bekam einen leichten Schrecken. Hatte er Steuerwald zu Unrecht angezweifelt? Dann die Erleichterung. Bei genauerer Durchsicht der Einführung ergab sich, dass dort nicht etwa gemeint war "natürliches Vorkommen auf den Britischen Inseln". Vielmehr ist "nat." die Abkürzung für das englische Wort naturalized = eingebürgert. Also eine weitere Bestätigung dafür, dass Steuerwald nicht richtig liegt. |
"Der Cornus Romuli war ein berühmter Kornel=Baum in dem zehenten Quartiere der Stadt, welcher aus dem von Kornel=Holz verfertigten Schafte eines Spießes entstand, welchen Romulus auf einer Jagd auf dem aventinischen Berge nach einem wilden Schweine warf, und der auf den palatinischen Berg fuhr, wo er so fest stecken blieb, daß ihn niemand aus der Erde ziehen konnte. Hier faßte er Wurzel, und ward ein bey den Römern für sehr heilig geachteter Baum, den sie mit einer Mauer umzogen. Daher auch, wenn etwann jemand meinte, es fehle ihm an Wasser, und solches Andern sagte, sofort ein Zulauf der Leute mit Wasser erfolgte, als ob irgendwo eine Feuersbrunst zu löschen wäre.Besser kann man wohl das starke Ausschlagvermögen der Kornelkirsche nicht illustrieren. Man macht sich dies noch heute zu Nutze, indem man die Kornelkirsche als Hecke pflanzt, die sich leicht beschneiden lässt.
Als der Kaiser Caligula eine Treppe dabey anlegen lassen wollte, wurden seine Wurzeln von den unvorsichtigen Arbeitsleuten dermaßen beschädigt, daß er verdorrete, nachdem er also 790 Jahr gestanden hatte."
Schlägt man nun in seiner berühmten Übersetzung - anders als bei Voß in Prosa - die Stelle auf, in der die Zauberin Kirke die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt und ihnen Eicheln, Bucheckern und Kornelkirschen zum Fraß vorwirft, heißt es bei ihm nicht Kornelkirschen oder "Kornellen", sondern Warum? Soweit der Verfasser dies nachprüfen konnte, wird in anderen Übersetzungen, auch in andere Sprachen, jeweils das entsprechende Wort für Kornelkirsche verwandt, botanisch Cornus mas. Die Kornelkirsche ist aber trotz des Namens botanisch keine Kirsche, auch keine Wildkirsche. Sie gehört einer ganz anderen Ordnung im Pflanzenreich an, nämlich den Cornales, während die Wildkirsche, botanisch Prunus, zu den Rosales, den Rosengewächsen, gehört. Haben vielleicht Schadewaldts Forschungen ihn zu der Erkenntnis geführt, dass mit dem von Homer verwendeten Wort nicht die im Altertum zu den verschiedensten Zwecken verwendete Kornelkirsche gemeint war. Dafür liegen dem Verfasser keine Anhaltspunkte vor. Erst in der 3. Auflage des Etymologischen Wörterbuchs der botanischen Pflanzennamen von Helmut GENAUST aus dem Jahre 1996 wird vor einer breiteren Öffentlichkeit geäußert, dass im antiken Schrifttum teilweise statt der Kornelkirsche die Vogelkirsche, eine Wildkirsche (botanisch Prunus avium), gemeint sein könnte. War es vielmehr schlichtweg so, dass Schadewaldt als Altphilologe - ähnlich wie im obenstehenden Kästchen am Fall des Juristen Dr. Steuerwald dargestellt - wenig mit dem Begriff Kornelkirsche anzufangen wusste und ihn für den Leser vermeintlich einfacher, aber falsch, mit Wildkirsche übersetzte? |