Stätten der Cornelius-Verehrung
Erforscht von Prof. Dr. Zender
Wir haben das Glück, dass sich schon jemand sehr eingehend mit der Verbreitung der Cornelius-Verehrung befasst hat, nämlich der hoch angesehene Matthias ZENDER (* 1907 1993), Dr. phil. und ehemals ordentlicher Professor für Deutsche Volkskunde an der Universität Bonn. In seinem 1973 in 2. erweiterter Auflage erschienenen Werk (1. Auflage 1959)
Räume und Schichten mittelalterlicher Heiligenverehrung in ihrer Bedeutung für die Volkskunde.
Die Heiligen des mittleren Maaslandes und der Rheinlande in Kultgeschichte und Kultverbreitung
untersucht er die volkstümliche Verehrung der vier ehemals bekanntesten Heiligen des Rhein-Maas-Gebietes: Lambertus (Lüttich), Servatius (Maastricht), Gertrud (Nivelles) und Cornelius (Kornelimünster). Wie Zender hervorhebt, unterscheidet sich die Verehrung des hl. Cornelius von derjenigen der drei anderen Heiligen vor allem dadurch, dass Cornelius nicht im Maasland beheimatet ist; sein Kult kam von auswärts. Für Cornelius gebe es noch weitere Kultmittelpunkte, die aber alle irgendwann auf Rom zurückführten. Compiègne (Frankreich), Kornelimünster (Deutschland) und Ninove (Belgien) seien die bedeutendsten nördlich der Alpen. Der Cornelius-Kult habe sich vor allem von Kornelimünster ausgebreitet.
Reliquien im 9. Jahrh. über die Alpen
Im Laufe des 9. Jahrh. tauchten Cornelius-Reliquien fast schlagartig an ganz verschiedenen Stellen im Norden auf, ohne dass eine bestimmte Abhängigkeit der einzelnen Kultorte voneinander nachzuweisen wäre. Die Klärung dieser sehr verwickelten Verhältnisse ist nach Meinung Zenders nicht möglich, zumal in dieser frühen Zeit die meisten Orte behaupteten, den Körper des hl. Papstes oder wenigstens sein Haupt zu besitzen; ihre Reliquien wollten sie jeweils von Rom erhalten haben. Nach heutiger Auffassung hätten die Reliquien wohl folgenden Weg genommen: Rom–Lyon–Compiègne–Kornelimünster–Ninove–Ronse. Nach Zenders Forschungen ist das wichtigste und größtes Gebiet des Cornelius-Kultes seit dem 11. Jahrh. der Raum der Rheinlande sowie der Niederlande in den alten Grenzen (d. h. einschließlich des flämisch sprechenden Teils Belgiens).
Wie noch im nächsten Kapitel über die italienischen Kultstätten dargelegt wird, sind in der 1. Hälfte des 9. Jahrh. unter Papst Gregor IV. (827–844) die Gebeine des hl. Cornelius nach Rom in die Kirche Santa Maria in Trastevere überführt worden, wo sie nochmals umgebettet wurden. Vielleicht im Zusammenhang mit dieser Überführung setzte dann dort eine lebhafte Verehrung ein, ohne dass die Gründe hierfür bekannt sind. Durch das damalige besondere Interesse für Cornelius könnte man erklären, warum Besucher aus dem Norden gerade von diesem Heiligen Reliquien mitgebracht haben und warum Papst Johannes VIII. Karl dem Kahlen (823–877) bei dessen Kaiserkrönung im Jahre 875 gerade die Gebeine des hl. Cornelius schenkte. Sie galten damals anscheinend als besonders wertvoll.
Etwa 630 Cornelius-Kultstätten nachgewiesen
In Zenders Werk ist - in abgekürzter, stichwortartiger Form - die stolze Zahl von etwa 630 Cornelius-Kultstätten aufgeführt. Hierbei sind noch nicht die vielen Kultstätten in Italien berücksichtigt, auf die er nicht näher eingeht. Von den 630 Stätten entfallen rund 210 oder etwa 33% auf Belgien, 185 oder rund 30% auf Deutschland, etwa 80 oder 13% auf Frankreich, rund 70 oder 11% auf die Niederlande und 20 oder 3% auf Luxemburg, jeweils in den heutigen politischen Grenzen. Wer sich also näher mit Geschichte und Verbreitung der Cornelius-Verehrung befassen möchte, sollte zunächst dieses wissenschaftliche Werk mit detaillierten Quellenangaben zur Hand nehmen.
Wegen der immensen Fülle der Kultstätten beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen im Wesentlichen auf Orte, in denen Papst Cornelius Pfarrpatron ist und wo er heute noch verehrt wird. Die meisten von ihnen hat der Verfasser im Lauf der letzten zehn Jahre selbst aufgesucht und berichtet daher - anders als Zender - vor allem über die heutige Cornelius-Verehrung dort und dies in weit ausführlicherer Form, als Zender es tut. Er kann den abschließenden Nachtrags-Bemerkungen Zenders beipflichten, dass im Gegensatz zu vielen anderen Heiligen "die Verehrung von Cornelius dem Volk bis fast in die Gegenwart wichtig blieb". Erst seit der in den 1970er Jahren stärker einsetzenden allgemeinen Verweltlichung ließ auch die Cornelius-Verehrung nach.
Im Übrigen empfiehlt der Verfasser allen Lesern, es ihm gleich zu tun und möglichst viele dieser Stätten selbst aufzusuchen. Es ist eine Bereicherung. Beim Verfasser führte dies inzwischen dazu, dass er bei jeder Kirche, die er findet, erst einmal den Blick nach einer möglichen Cornelius-Darstellung schweifen lässt.
Die zeitliche Schichtung der Corneliusverehrung. Eine der drei Verbreitungskarten von Prof. Zender
Weiter zum nächsten Kapitel: Italien: In drei Kirchen während der Frühzeit
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