Bistum Aachen

Kornelimünster
Mittelpunkt der Verehrung
Der Mittelpunkt der Verehrung des heiligen Papstes Cornelius ist seit vielen Jahrhunderten Kornelimünster. Prof. Zender aus Bonn kommt in seinem Werk über die mittelalterliche Heiligenverehrung im Rhein-Maas-Gebiet, 1973, abschließend zu dem Ergebnis, dass Kornelimünster "seit dem hohen Mittelalter an Einfluß auf die Ausbreitung und Entwicklung des Kultes im Rheinlande, in den Niederlanden und Flandern-Brabant gewann, ... die es im Laufe der Jahrhunderte sehr in den Vordergrund stellt, ... obwohl zunächst offenbar andere Orte wie Compiègne und Köln von größerer Bedeutung waren".
Die kleine Ortschaft an der Inde, 10 km südlich von Aachen gelegen, wohin sie zum 1.1.1972 eingemeindet wurde, gehört aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Bau- und Kunstdenkmäler wie auch ihrer reizvollen Umgebung zu den Kleinodien des Rheinlandes.
(Kornelimünster schrieb sich bis zum Beginn des 20. Jh. mit C, als durch Gesetz von 1908 in Deutschland die K-Schreibung von Ortsnamen angeordnet wurde.)



Die aus der Zeit um 1360 stammende Kornelius-Büste mit der Schädeldecke des Heiligen, das wertvollste Reliquiar von Kornelimünster (Ansichtskarte 1991).




Gegründet durch Kaiser Ludwig den Frommen
814 wählte Kaiser Ludwig der Fromme (778–840), Sohn Karls des Großen (741–814), den schon in römischer Zeit bestehenden Ort am Schnittpunkt zweier Heerstraßen zur Errichtung eines Benediktinerklosters aus. Mit der Gründung beauftragte er den später heilig gesprochenen Benedikt von Aniane 750–821), einen westgotischen Edelmann. Es sollte eine Musterabtei für die angestrebte Reform des fränkischen Klosterlebens werden. Der Kaiser selbst wollte hier nach seinem Tod begraben werden und ließ in der Abteikirche die noch vorhandene Grabanlage für sich und seine Frau errichten (Gegen seinen Wunsch wurde er später in Metz bestattet). Im Jahre 817 wurde das Kloster in Anwesenheit des Kaisers eingeweiht. Es erhielt den Namen Monasterium Sancti Salvatoris ad Indam (= Kloster des heiligen Erlösers an der Inde). Erster Abt wurde Benedikt von Aniane, der auf der im gleichen Jahr stattfindenden Synode zum Reichsabt ernannt wurde. Das Kloster wurde 881 und nochmals 892 von Normannen überfallen und zerstört.
Erst mit der ottonischen Reichsreform begann ein erneuter Aufstieg. Kaiser Otto III. (?) verlieh der Abtei Markt- und Münzrecht und bestätigte ihre Reichsunmittelbarkeit, wodurch die Abtei eine Art kleiner Klosterstaat wurde. Reiche Schenkungen und Einnahmen aus den Wallfahrten brachten ihr Wohlstand und Ansehen. Der jeweilige Abt war Reichsfürst und Landesherr. Nach einem Privileg von 1371 war er sogar befugt, den deutschen Kaiser zu krönen, wenn der Erzbischof von Köln verhindert war. 1802 wurde die Abtei durch Dekret Napoleons aufgelöst. Die Abteikirche wurde der Pfarrgemeinde als Pfarrkirche übergeben. 1906 erfolgte die Wiedergründung des Klosters, das seit 1953 erneut den Rang einer Benediktiner-Abtei hat. Die ehemaligen Klostergebäude sind heute im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen und beherbergen eine Kunstsammlung des Landes sowie ein Bundesarchiv für Wehrmachtsangehörige.

Kreuzpartikel und "Biblische Heiligtümer"
Ihre eigentliche Bedeutung erreichte die Abtei jedoch im Mittelalter erst als Wallfahrtskirche, und zwar aufgrund ihres reichen Reliquienschatzes. Schon bei der Einweihung im Jahre 817 soll ihr Kaiser Ludwig der Fromme eine Reliquie vom Kreuzesholz sowie die drei "Biblischen Heiligtümer" geschenkt haben, die bis heute in Kornelimünster aufbewahrt und verehrt werden. Es sind dies
das Schürztuch, mit dem Christus sich beim Letzten Abendmahl umgürtete, als er seinen Jüngern die Füße wusch,
das Grabtuch, in das sein Leichnam nach der Kreuzabnahme eingewickelt wurde,
das Schweißtuch, das das Antlitz Jesu im Grab bedeckte.
Diese Heiligtümer soll Ludwig der Fromme dem Reliquien-Schatz der Pfalzkapelle in Aachen entnommen haben. Sie sollen der Grund gewesen sein, dass Kirche und Kloster zunächst dem Erlöser geweiht waren.

Grabtuch gegen Schädel getauscht
Es waren aber nicht so sehr diese Heiligtümer, so bedeutend sie auch sind, die die Pilger zur Abtei führen sollten, sondern die Reliquien des hl. Cornelius. Dazu kam es - so jedenfalls die gängige Literatur vor Ort - durch einen Reliquientausch. Kaiser Karl der Kahle (823–877), ein Sohn Ludwig des Frommen und König des Westfrankenreichs, der in Compiègne (etwa 70 km nordöstlich von Paris) ein Kloster gegründet hatte, suchte hierfür hoch angesehene Reliquien. Aus dem Aachener Domschatz erhielt er einen Teil des Schleiers Mariens und vom Kloster zum hl. Erlöser an der Inde, dem späteren Kornelimünster, die Hälfte des Grabtuches. Als Gegengabe bekam das Kloster an der Inde die Schädeldecke und den rechten Arm des Papstes Cornelius sowie ein Stück der Schädeldecke des hl. Cyprian. Der Kaiser hatte die Gebeine dieser beiden Heiligen nach seiner Kaiserkrönung im Jahre 875 von Rom nach Compiègne überführt. Ein genaues Datum für den Reliquientausch ist nicht bekannt.
Mit der Übergabe von Schädeldecke und rechtem Arm waren nach damaliger Auffassung die wichtigsten Teile der Gebeine an Kornelimünster übergegangen. Gerade im frühen Mittelalter dürfte man sich der Symbolkraft bewusst gewesen sein, die gerade von diesen Körperteilen ausging und sie wohl mit voller Absicht derart ausgewählt haben. So ist auch überliefert, dass Karl der Große dem Kloster Benediktbeuren in Oberbayern (das erst anschließend den Zusatz "Benedikt" bekam) den rechten Arm des hl. Benedikt schenkte. Wahrscheinlich veranlasst durch diesen Tausch wurde in der Abtei während der 2. Hälfte des 9. Jh. an der Südseite des östlichen Querhauses ein kleiner Baukörper, das Martyrium, angefügt, in dem die drei Reliquiare Aufstellung fanden. Die Verehrung des hl. Cornelius erfreute sich bald so großer Beliebtheit, dass das Kloster - schon 1028 urkundlich nachweisbar - seinen Namen in Monasterium sancti Cornelii ad Indam (= Kloster des hl. Cornelius an der Inde) änderte, woraus sich der heutige Name Kornelimünster entwickelte.

Wenig sichere Belege
Prof. Zender geht allerdings in seinem Werk über die mittelalterliche Heiligenverehrung weit vorsichtiger an die Entwicklungsgeschichte des Wallfahrtsortes heran: Die Nachrichten über den Cornelius-Kult in ältester Zeit seien "überaus spärlich"; die als erste Erwähnung des Heiligen herangezogene Urkunde von 1028 sei eine Fälschung (die im Mittelalter gang und gäbe waren); der älteste sichere Beleg für den Kult dort stamme erst aus der Mitte des 11. Jh. Er weist Beziehungen zwischen Kornelimünster und dem französischen Städtchen Toul an der Mosel auf, wo laut einer Urkunde von 871 (also bereits vor einer Übertragung der Reliquien 875/77 von Rom nach Compiègne) der Bischof Arnulf von Toul begraben war, und zwar in cripta sti Aniani sanctorumque martyrum Cornelii et Cypriani (= in der Krypta des hl. Anianus und der heiligen Märtyrer Cornelius und Cyprian). Nichtsdestoweniger kommt Zender zu dem Ergebnis, dass die Cornelius-Verehrung in Kornelimünster "bereits im 9. Jahrhundert wahrscheinlich" ist. Der gängigen Überlieferung über den Reliquien-Tausch zwischen Compiègne und Kornelimünster will er "eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht rund absprechen" - vor allem weil Compiègne, Aachen und Kornelimünster Reliquien der gleichen Art aus dem Leben Christi besitzen. Einen Beweis dafür gebe es aber nicht.

Kein Geschenk Harun al Raschids
Wahrscheinlich muss man aber ins Reich der Fabel die im 18. Jh. vom Kloster Kornelimünster vertretene Überlieferung verweisen, wonach die Cornelius-Reliquien ein Geschenk des Kalifen Harun al Raschid an Karl den Großen (747–814) sind. Großzügige Geschenke des Kalifen an Kaiser Karl sind zwar belegt, Reliquien werden aber dabei nicht erwähnt. Nach dieser Überlieferung wurde das Kloster bereits von Karl dem Großen gegründet, der dorthin den vom Kalifen erhaltenen Leib des Cornelius überführt haben soll (bis 1534 glaubte man auch, den gesamten Leib dort zu haben); Karl der Kahle habe dann den Leib nach Compiègne überführt, jedoch Haupt und rechten Arm in Kornelimünster gelassen. Auch in dem weiter hinten behandelten Bad Buchau, wo schon für das Jahr 819 die Cornelius-Verehrung belegt ist, gibt es die These, die Reliquien dort stammten aus dem Geschenk des Kalifen und seien von einem der Karolinger dem damaligen Reichskloster Buchau vermacht worden. Da 819 auch Kaiser Ludwig der Fromme dem Kloster Buchau eine Schenkung vermacht hat, bleiben Fragen und Zweifel, ob nicht doch schon Karl der Große oder Sohn Ludwig im Besitz von Cornelius-Reliquien waren.

Kornelimünster kann wohl als Parallele zur Entwicklung der Cornelius-Verehrung allgemein gesehen werden: Fakten gibt es nur wenige, die Verehrung nimmt zu, weil sich die Menschen Schutz und Hilfe erhoffen, die Lücke dazwischen wird nachträglich durch Annahmen ausgefüllt.

Bis 1802 ansteigender Pilgerstrom
Aber auch nach Zender ist Kornelimünster bereits "in der Zeit vor 1000" neben Compiègne, St. Severin in Köln und Westfalen Ort "einer lebhaften Corneliusverehrung". In den folgenden Jahrhunderten wurde Kornelimünster sehr populär und zog viele Pilgerströme an. Offenbar von hier ausgehend hat sich dann die Verehrung des Heiligen in weitem Umkreis verbreitet. Zender nimmt an, diese große Verehrung habe sich nur deswegen nicht stärker in Cornelius-Patrozinien niedergeschlagen, weil sie erst relativ spät aufgekommen sei, als die meisten Kirchen bereits bestanden und ihren Pfarrpatron hatten.
Zugleich mit der weit verbreiteten Heiligtumsfahrt nach Aachen fand auch eine Wallfahrt nach Kornelimünster statt, und zwar alle sieben Jahre am 17. Juli; die Pilger, die nach Aachen kamen, begaben sich auch nach Kornelimünster. In einer Bulle des Papstes Innozenz VI. von 1385 wurde allen Christgläubigen ein Ablass von einem Jahr und vierzig Tagen verliehen, die an bestimmten Tagen - wie bei der Heiligtumsfahrt oder am Cornelius-Fest - die Abteikirche besuchten.
Etwa um die Mitte des 14. Jh. entstand an der Südseite des Mittelschiffs eine neue Pilgerkirche. Gut 100 Jahre später wurde sie erheblich erweitert (Schlussstein von 1470) und erhielt ihre heutige Gestalt. Sie ist eine zweischiffige Hallenkirche und zur Ausstellung der Reliquien geeignet, die auf kleinen Altären ihren Platze erhielten. Die Pilger zogen in einem Schiff betend daran vorbei und im zweiten Schiff wieder zurück, ohne den Gottesdienst des Konvents im Mittelschiff zu stören. Im 17. Jahrh. konnten selbst die fünf Kirchenschiffe die Pilgermenge nicht mehr fassen. Deshalb baute man über dem Hauptchor und den Chören der Nordschiffe Galerien, um von dort oben die Heiligtümer und Reliquien der Volksmenge draußen auf dem Kirchplatz zeigen zu können. Schließlich wurde 1706 als letzter Bauteil an der Ostseite des Chores die achteckige Korneliuskapelle errichtet. Sie löste die Südschiffe als Pilgerkirche ab und dient seitdem zur Aufnahme der Kornelius- und Cyprian-Reliquien.
Wenn auch Kornelimünster neben den drei "Biblischen Heiligtümern" eine große Anzahl Reliquien besitzt, insgesamt rund 180, darunter bedeutende wie die von den Aposteln Paulus, Thomas, Jakob dem Jüngeren, Jakob dem Älteren und von Maria Magdalena, so war doch, wie auch die Abhandlung Aachen-Kornelimünster – Geschichte, Denkmäler und Schätze, 1979, von Leo HUGOT feststellt, die Cornelius-Reliquie
"der zentrale Gegenstand, der den Pilgerstrom in das Inde-Städtchen führte".


Durch die Aufhebung des Cornelius-Klosters im Jahre 1802 wurde, wie Prof. Zender berichtet, auch die Wallfahrt dorthin erschüttert. Dafür setzten sich kleinere Wallfahrtsorte in der Nähe stärker durch wie z. B. Rödingen und Lamersdorf.
Weiter zum nächsten Kapitel: Büste, Arm und Horn
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zur Zeittafel