Gaukirche St. Cyprian und Cornelius zu Ganderkesee
Heute Pfarrkirche der ev.-luth. Kirchengemeinde
Zu den schönsten Kirchen - innen wie außen -, die den Namen Cyprian und Cornelius tragen, gehört die jahrtausendalte Gaukirche in Ganderkesee, etwa 20 km westlich von Bremen. Sie ist seit Einführung der Reformation in der Grafschaft Delmenhorst im Jahre 1543 evangelisch und heute Pfarrkirche der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ganderkesee.


Die St. Cyprian und Cornelius-Kirche in Ganderkesee; in der heutigen Form aus dem 15. Jh. (Foto 8.6.2008)


Veranlasst durch den Einbau einer neuen Warmluftheizung wurden 1981 archäologische Untersuchungen an und in der Kirche durchgeführt. Sie brachten neue Erkenntnisse über Alter und Baugeschichte der Kirche, die für ein Dorf von erstaunlicher Größe ist. Wie der Kirchenführer der Pfarrgemeinde (2. Aufl. 1995, Text Pastor Jörg Meyer) dazu ausführt, hängt dies wahrscheinlich damit zusammen, dass sie ursprünglich eine Gaukirche war. Als die ersten christlichen Missionare im 9. Jh. im Auftrag des Bremer Erzbischofs in das dortige Sachsenland kamen, lag Ganderkesee günstig im Mittelpunkt des nördlichen Largaues. Hier gründeten sie die erste Kirche, die zunächst für das gesamte Gebiet zuständig war. Sie erfüllten damit den Grundsatz Karls des Großen (768-814), dass jeder Gau seine eigene Kirche besitzen sollte. Erst im Lauf der späteren Jahrhunderte wurden nach und nach 19 Pfarrgemeinden selbständig und erhielten ihre eigenen Kirchen. Die Kirche zu Ganderkesee war damit nur noch Pfarrkirche. Sie blieb aber für ein kleineres Gebiet weiterhin "Sendkirche", d. h. zweimal im Jahr hielt die Geistlichkeit unter Leitung eines Bremer Domherren den Send, das Gericht, ab.

Bereits im 9. Jh. eine Holzkirche
Wie die Grabungen 1981 ergaben, reicht die Baugeschichte bis in die erste christliche Generation zurück. An einer altsächsischen Siedlungsstätte aus dem 6. Jh., die einem Brand zum Opfer gefallen war, entstand Mitte des 9. Jh. eine kleine Kapelle, die ebenfalls durch Feuer zerstört wurde. Nach dem Brand wurde an gleicher Stelle ein neuer Holzbau mit kräftigen Wandpfosten errichtet, der später anscheinend abgebaut wurde.
Um 1050 entstand - wohl unter Erzbischof Adalbert von Bremen - der erste Steinbau, eine schlichte Saalkirche ohne Turm mit einem Fundament aus schweren Findlingen. Im 12. Jh. wurde die Kirche nach Osten durch einen Rechteckchor mit halbrunder Apsis erweitert und nach Westen durch den heutigen Turm. Diese romanische Basilika besaß schon fast die Ausmaße der heutigen Kirche. Im 13. Jh. wurden niedrige Seitenschiffe angebaut und die Kirche erhielt ein Gewölbe. Schließlich erfolgte zwischen 1400 und 1450 der Umbau zur heutigen gotischen Hallenkirche nach westfälischem Vorbild.
1608 wurde der Kirche eine Kanzel mit Darstellungen der vier Evangelisten gestiftet, deren hoher künstlerischer Wert sich erst bei der Restaurierung in den 1980er Jahren herausstellte. 1699 erhielt die Kirche ihr wohl berühmtestes Stück, eine Orgel mit über 1000 Pfeifen, geschaffen von dem großen Orgelbauer Arp Schnitger. Sie ist nach verschiedenen Restaurierungen noch heute in Funktion. 1744 wurde der barocke Hochaltar mit dem Bild des auferstandenen Christus gestiftet und der bisherige gotische Altar als "katholisch" entfernt; Teile davon sind im Oldenburger Landesmuseum aufbewahrt.
Zu größeren Schäden kam es in den letzten Kriegstagen 1945, als Dachstuhl und Turmhelm brannten und die alte Glocke von 1492 vernichtet wurde. In den 1980er Jahren wurde die Kirche umfassend restauriert. Ein Teil der neuen Kirchenfenster wurde von dem Unnaer Künstler Wilhelm Buschulte geschaffen.





Stein links vor dem Eingang der Kirche aus neuerer Zeit. (Foto 8.6.2008)

Von Anfang an Cyprian und Cornelius geweiht?
Bis zur Einführung der Reformation 1543 waren anscheinend Cyprian und Cornelius die Kirchenpatrone. Dies geht aus dem ehemaligen gotischen Altar und der 1945 zerstörten Glocke von 1492 hervor, die den beiden Heiligen geweiht waren. Heute besinnt man sich wieder auf die alte Tradition und nennt die Kirche "St. Cyprian und Cornelius-Kirche".
Links vor dem Eingang unter dem Turm wurde ein Steinblock aufgestellt, der die Inschrift trägt:
GAUKIRCHE ST. CYPRIAN UND CORNELIUS ZU GANDERKESEE.

Weitere Informationen über die frühere Verehrung der beiden Heiligen scheinen zu fehlen, vor allem, ob ihnen die Kirche von Anfang an geweiht war. Da es eher selten ist, dass eine Kirche den Patronatsheiligen wechselt, spricht die Vermutung dafür, dass Cornelius und Cyprian schon immer die KIrchenpatrone waren. Dann würde Ganderkesee zu den frühesten Verehrungsstätten der beiden Heiligen in Deutschland gehören, da der erste Kirchenbau, wenn auch nur eine Holzkonstruktion, laut den archäologischen Grabungen in den 1980er Jahren, bereits im 9. Jh. erfolgte. Ganderkesee läge dann wohl in einer Reihe mit Orten wie Fulda, Freising, St. Severin in Köln, Kornelimünster, Bad Buchau und Metelen, die als die frühesten Kultorte in Deutschland gelten. Möglicherweise setzte auch in Ganderkesee die Verehrung schon ein, bevor Karl der Kahle (823—877) nach seiner Kaiserkrönung Weihnachten 875 die Reliquien von Rom nach Compiègne überführte. Oder hängt es zusammen mit der vermutlichen Verehrung der beiden Heiligen als Familien-Patrone des karolingischen Königshauses? Während man bisher Metelen als nördlichste Kultstätte der beiden Heiligen in der Frühzeit ansehen konnte, wäre es jetzt Ganderkesee.
Wie Professor Dr. Zender in seinem Werk über die mittelalterliche Heiligenverehrung ausführt, tauchten im Laufe des 9. Jh. Cornelius-Reliquien fast schlagartig an ganz verschiedenen Stellen nördlich der Alpen auf, ohne dass eine bestimmte Abhängigkeit der einzelnen Kultorte voneinander nachzuweisen wäre. Die Klärung dieser sehr verwickelten Verhältnisse sei nicht möglich. Das gilt leider wohl auch für Ganderkesee.


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