Bistum Rottenburg-Stuttgart
Stiftskirche St. Cornelius und Cyprianus Bad Buchau
Früher und rätselhafter Ursprung
In Baden-Württemberg an der "Oberschwäbischen Barockstraße" liegt der Kurort Bad Buchau am Federsee mit der Stiftskirche St. Cornelius und Cyprianus.
Die 1774–1776 umgebaute Stiftskirche von Bad Buchau. Turm wahrscheinlich von 1459. (Titelblatt des Kirchenführers)
Das Stift Buchau ist eine der ganz frühen Klostergründungen Süddeutschlands. Mit Salzburg-Nonnberg und Frauenchiemsee war es eines der ältesten Benediktinerinnenklöster der fränkisch-karolingischen Zeit - entstanden rund 100 Jahre nach der Christianisierung des Landes. Laut dem vom Katholischen Pfarramt Bad Buchau 1990 (3. Aufl.) herausgegebenen Kirchenführer Die Stiftskirche in Bad Buchau am Federsee und dem Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Baden-Württemberg (1976) markiert die heutige Kirche den Ort einer frühchristlichen, historischen Stätte, die damals noch eine Insel im Federsee war. Spuren der ersten Kirche aus frühromanischer Zeit wurden 1928 bei der Freilegung der Krypta entdeckt. Schon um 770 gab es dort einen Hochadelssitz. Graf Warin, der fränkische Statthalter in Alemannien, und seine Frau Adelinde gründeten dort ein Kloster. Es wurde 819 erstmals urkundlich erwähnt, als es Schenkungen von Kaiser Ludwig dem Frommen (778–840) erhielt, dem Sohn Karls des Großen. König Ludwig der Deutsche (um 805–876) übertrug das Kloster einer seiner Töchter, der seligen Irmengard ( um 866), die dort Äbtissin war. 902 wurde das Kloster durch Adelinde, Gattin des Grafen Ato von Buchau, neu gegründet; sie wird noch heute als schwäbische Heimatheilige verehrt. 1032 wurde das Kloster durch Brand völlig zerstört und noch im 11. Jh. wieder aufgebaut. Ein Teil des Mauerwerks aus dieser Zeit ist noch sichtbar. Eine spätere gotische Kirche soll nach der Überlieferung 1459 geweiht worden sein. Der 35 m hohe Turm bekam zu dieser Zeit seine heutige Gestalt. Ab dem 13. Jh. wandelte sich das Kloster allmählich zum Damenstift für unverheiratete Töchter des schwäbischen Hochadels. Es hatte klosterähnlichen Charakter, ohne die Stiftsdamen durch Ordensgelübde (Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam) zu binden. Die Äbtissinnen wurden seit 1347 als Fürstinnen angesehen und hatten Sitz und Stimme im Reichstag und im Schwäbischen Kreistag. Bei der Säkularisation im Jahre 1802 wurde das Damenstift von Napoleon aufgelöst und dem Fürsten von Thurn und Taxis übertragen. 1806 wurde die bisherige Stiftskirche zur Pfarrkirche von Buchau.
Putten halten Horn und Tiara
Der heutige Kirchenbau entstand in den Jahren 1774–1776 durch Umbau der gotischen Kirche und gilt als eine der ersten großen Bauschöpfungen des westlichen Klassizismus auf süddeutschem Boden mit barocker Ausstattung. Architekt war Michel dIxnard, ein Franzose aus Nîmes. In der Kirche ist an drei Stellen eine Darstellung des hl. Cornelius anzutreffen:
– Das großflächige Deckengemälde im Hauptschiff aus der Zeit um 1776 stellt die Krönung Mariens durch die Hl. Dreifaltigkeit in Gegenwart der Kirchenpatrone Cornelius und Cyprian dar sowie Szenen aus der Geschichte des Klosters. Cornelius sitzt dabei auf einer Wolke; vor ihm liegen von Engeln umgeben Tiara, Kreuzstab und ein Palmenzweig als Symbol für den Märtyrertod. Geschaffen wurde das Werk von dem Freskomaler Andreas Brugger (1737–1812), der in dieser Kirche eine seiner besten Leistungen vollbracht haben soll.
– Seitlich im Chor stellen zwei Stuckreliefs Cornelius (links) und Cyprian (rechts) dar.
– Im linken Seitenschiff steht über dem linken Nebenaltar (rechter Nebenaltar für hl. Cyprian) eine weiße überlebensgroße Statue des hl. Cornelius mit goldenem Kreuzstab, die Rechte anscheinend zum Segen erhoben; davor zwei Putten, die eine ein Horn haltend, die andere an eine Tiara lehnend. Reliefs und Skulpturen stammen von dem Riedlinger Bildhauer Johann Josef Christian (1706–1777).
Die beiden Putten vor der Cornelius-Statue im linken Seitenschiff
(wahrscheinlich um 1777 entstanden). (Fotos Oktober 1992)
Ehrengabe Harun al Raschids an Karl den Großen?
Eine für die Ursprünge der Cornelius-Verehrung in Deutschland äußerst interessante Frage ist, wann die Stiftskirche den Kirchenpatronen Cornelius und Cyprianus geweiht wurde und woher deren Reliquien stammen, die jeweils am Fest der Kirchenpatrone (16. 9.) in der Kirche ausgestellt werden. In einem Schreiben des Diözesanarchivs der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 28.9.1992 an den Verfasser findet sich der Satz: "Schon 819 heißt es von Kloster Buchau, daß es zu Ehren der Heiligen Cornelius und Cyprianus erbaut worden sei." 903 wird die Kirche Cornelii et Cypriani (= des Cornelius und des Cyprian) erwähnt. Rektor Georg K. Ladenburger aus Buchau berichtete in einem Schreiben vom 11.11.1992 an der Verfasser davon, dass die in der Stiftskirche aufbewahrten Reliquien aus der Zeit der Karolinger stammen, vermutlich aus deren Hand. Buchau sei ein karolingisches Reichskloster gewesen, wie aus Urkunden der Jahre 819 und 857 hervorgehe. Berichten zufolge seien in der Zeit 801–807 Reliquien der Heiligen als Ehrengabe des Kalifen Harun al Raschid an Karl den Großen gesandt worden.
Diese Aussage wird durch verschiedene andere Literaturquellen gestützt. So führt das 1995 erschienene Werk von Josef SPÄTH Chronik der Pfarrkirche zu unserer Lieben Frau und Cornelius und Cyprian Ennetach, zur Jahreszahl 819 aus, zu der Reliquien der beiden Heiligen von Buchau nach Ennetach kamen:
"Seit 797 werden von Karl dem Großen und dem Kalifen Harun al Raschid in Bagdad alljährlich Gesandtschaften ausgetauscht. Eine dieser Gesandtschaften, wahrscheinlich die vom Juni 801, brachte aus Rom als Ehrengabe die Reliquien nach Aachen. Vorn dort kamen einige derselben nach Buchau (Pater Briemle)."
In dem vom Pfarramt Ennetach herausgegebenen Heftchen Kath. Pfarrkirche St. Cornelius u. Cyprian Ennetach von Franz SCHIPS (Textgestaltung) und Pfv. P. Ottmar HUMMEL (Theologische Beratung), 2. bearb. Aufl. 1986, heißt es dazu:
"Um 819 kamen Reliquien der Hl. Cornelius und Cyprian nach Buchau und von da einige nach Ennetach und an die elf anderen Cornelihöfe, die dem Stift tributpflichtig waren. "
Eine gewisse Stütze findet ein solch früher Verehrungs-Zeitpunkt auch in dem folgenden Satz der Zeitschrift für Württemb. Landesgeschichte (1955):
"Um die (Anm. d. Verf.: noch aus der Zeit der Klostergründer Warin und Adelinde um 800 stammenden) Maierhöfe gruppieren sich jene vom Stift abhängigen Güter, die gewöhnlich als Corneliergüter bezeichnet werden, so benannt nach dem Kirchenpatron Cornelius."
Die Rätsel bleiben
Zu fragen ist, ob die Überlieferung von den Cornelius-Reliquien als Geschenk Harun al Raschids nicht nur eine schöne Fabel sind, um deren frühes Auftauchen in Buchau zu erklären. Auch in Kornelimünster wurde diese Vermutung für die Ursprünge des Cornelius-Kults geäußert. Es gibt aber keinen verlässlichen Hinweis auf ein Reliquiengeschenk des Kalifen, der der fünfte Kalif aus dem Hause der Abbasiden war und von 786 bis 809 regierte. In dem Werk Karl der Große von Jacques DELPIERRÉ DE BAYAC (deutsche Fassung von 1979, S. 243/244, franz. Originalfassung 1976 unter dem Titel Charlemagne) wird näher über eine Gesandtschaft berichtet, die Karl der Große (768–1814) im Jahr 797 an den Kalifen in Bagdad schickte. Vom Kalifen bekam er einen von ihm erbetenen Elefanten und "viele Geschenke", darunter eine mit Wasser betriebene Uhr. Die Reise dauerte samt dem Aufenthalt in Bagdad insgesamt vier Jahre. Die eigentlichen Gesandten starben unterwegs. Der Dolmetscher, ein Jude namens Isaac, musste daher die Geschenke einschließlich Elefanten allein nach Europa bringen. Karl, der verständigt worden war, sandte Schiffe, um Isaac von der afrikanischen Küste abzuholen; sie gingen in Porto Venere bei Genua im Oktober 801 an Land. Weil Isaac es nicht wagte, im Winter mit dem wertvollen Elefanten über die Alpen zu wandern, verbrachte er den Winter in Vercelli in Piemont und traf erst im Juli 802 in Aachen ein.
Geht man von der offenbar unbestrittenen Jahreszahl 819 aus, zu der Cornelius und Cyprian bereits Klosterpatrone in Buchau waren, scheidet die für Kornelimünster sehr plausible Erklärung aus, die Reliquien seien über Kaiser Karl den Kahlen (823–877) via Compiègne in Frankreich dorthin gekommen. Somit stellt sich in Buchau in besonderem Maß das Rätsel der Herkunft der Reliquien. Auch Prof. Zender kann nur vage mutmaßen: Über Lyon, über Karl den Großen oder "vielleicht doch auf der alten Kulturstraße Mailand–Chur–Oberdeutschland". Die hochadlige Vergangenheit des Klosters in Verbindung mit der für 819 verbürgten Schenkung Kaiser Ludwig des Frommen (778–840), der auch das Kloster im späteren Kornelimünster gründete, stützen die These, dass die Anfänge der Cornelius-Verehrung im deutschen Raum mit den damaligen karolingischen Herrschern Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen zusammenhingen, und nicht erst ab 875 mit Karl dem Kahlen, der folgenden Kaisergeneration. Die Patrozinien Westfalens (vgl. weiter vorn die Ausführungen zum Bistum Münster) weisen darauf hin, dass eine Tochter König Ludwig des Deutschen (um 805–876, Bruder Karls des Kahlen) Äbtissin des Stiftes war. Sie sehen dies als weiteres Indiz dafür an, dass Cornelius und Cyprian zu den karolingischen Familienpatronen gehörten.
Ihre These findet eine weitere Stützung dadurch, dass um 830/840 Cornelius-Reliquien von Rom zur Abtei Cysoing in Nordfrankreich kamen, die auf einer ehemals königlichen Domäne Kaiser Ludwigs des Frommen mit Hilfe seiner Tochter Gisela gegründet worden war. Gisela war eine Schwester sowohl Ludwigs des Deutschen wie auch des französischen Königs und späteren Kaisers Karl des Kahlen.
Das Rätsel bleibt. Könnte man es in Buchau lösen, wäre es wohl auch für die anderen frühen Cornelius-Kultstätten gelöst.
Auch wenn die Buchauer Reliquien kein Geschenk Harun al Raschids sein sollten, was eher anzunehmen ist, zeigt sich daran immerhin, in welch hoher Wertschätzung sie standen, dass man sie mit dem Kalifen in Verbindung brachte.
Weiter zum nächsten Kapitel: Pfarrkirche St. Cornelius und Cyprian in Mengen-Ennetach
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