Frankreich: zwei Schwerpunkte
Die bedeutsamsten Stätten der Cornelius-Verehrung in Frankreich sind Compiègne nördlich von Paris und die Bretagne. Daneben gibt es über das ganze Land verteilt noch eine Anzahl weiterer Kultstätten. Insgesamt führt Prof. Zender in seinem Werk über die mittelalterliche Heiligenverehrung, 1973, über 80 Orte in Frankreich auf, davon allein 26, in denen Papst Cornelius Pfarrkirchen- oder Klosterpatron war oder ist. Nach einer allerdings nicht sehr wahrscheinlichen Annahme soll die erste Cornelius-Reliquie nördlich der Alpen 801/806 nach Lyon gekommen sein, von wo sie 875/877 nach Compiègne überführt worden sei. Sicher ist jedoch, dass die Verehrung des hl. Cyprian in Südfrankreich schon sehr früh, nämlich vor der Jahrtausendwende, intensiv eingesetzt hat. So sollen sich der Legende nach bereits 807 in Lyon Cyprian-Reliquien befunden haben. In diesem Zusammenhang könnte vielleicht auch Cornelius als sein "liturgischer Zwillingsbruder" zur Verehrung gekommen sein. Immerhin gab und gibt es nördlich von Lyon einige Cornelius-Patrozinien.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht im Hinblick auf Lyon eine Vermischung oder Verwechselung zweier Heiliger stattgefunden hat. Unter den zahlreichen anderen Heiligen namens Cornelius findet sich nämlich auch ein Cornelius, der in Lyon den Märtyrertod erlitten hat, wahrscheinlich im Jahre 177, und dessen Fest am 2. Juni gefeiert wird. Insoweit scheint noch Forschungsbedarf zu bestehen.
Schon um 830/840 Cornelius-Reliquien von Rom nach Cysoing in Nordfrankreich
Jedenfalls dürfte es schon vor der Kaiserkrönung Karls des Kahlen am Weihnachtstag 875 Cornelius-Reliquien in Frankreich gegeben haben, und zwar nicht über Lyon und auch unabhängig von Reliquien des hl. Cyprian. Wie nämlich im Zusammenhang mit den Gebeinen des hl. Calepodius berichtet wird (Wikipedia italienisch: "San Calepodio" vom 1.1.2009) sandte Papst Gregor IV. (827–844), der die Gebeine der beiden Päpste Callixtus I. (218–222) und Cornelius sowie des hl. Calepodius in die Kirche Santa Maria in Trastevere in Rom überführt hatte, "einige Reliquien" dieser Heiligen an die Abtei Fulda in Deutschland und nach Cysoing in Frankreich. Dort im heutigen Département Nord in der Nachbarschaft von Lille war im 9. Jh. von Markgraf Eberhard von Friaul eine Abtei gegründet worden. Die Gründung erfolgte auf der königlichen Domäne Annapes, einem Gebiet von 8.000 Hektar, das seine Frau Gisela (geb. um 819/822 - gest. nach 874) um das Jahr 836 vermutlich zu ihrer Hochzeit von ihrem Vater als Mitgift bekommen hatte. Gisela war Tochter Kaiser Ludwigs des Frommen (778–840) und seiner Gemahlin Judith von Bayern und damit Enkelin Karls des Großen (742–814). Sie war auch eine Schwester des französischen Königs und späteren Kaisers Karls des Kahlen. Das Ehepaar, das zehn Kinder hatte, wurde später auch in der Abtei begraben, die aber schon lange nicht mehr besteht.
Dies alles stützt die schon in Bezug auf den Corneliuskult im Bistum Münster und in Bad Buchau behandelte These, Cornelius und Cyprian seien karolingische Familienpatrone gewesen.
Der Gedanke ist nicht auszuschließen, dass überhaupt erst die Übersendung der Cornelius-Reliquien von Santa Maria in Trastevere zwischen 827 und 844, der Regierungszeit von Papst Gregor IV., nach Cysoing dort in der karolingischen Königsfamilie zur besonderen Verehrung von Papst Cornelius geführt hat. Ferner könnte man denken, dass sich - etwas gewagte These - aufgrund dieser besonderen Verehrung in seiner Verwandtschaft Karl der Kahle bei seiner Kaiserkrönung im Jahre 875 weitere Gebeine dieses Heilen vom Papst erbeten hat.
Vielleicht erklärt sich auch dadurch - ebenfalls eine gewagte These -, dass Giselas Mutter Judith von Bayern war, das frühe Auftauchen von Cornelius-Kultstätten in Bayern.
Offen bleibt die Frage, wann und wie die Gebeine des hl. Cyprian nach Frankreich kamen. Denn sicher ist, dass von den Karolingern und ihren Verwandten Cornelius und Cyprian gemeinsam verehrt wurden. Die Kirche, die Karl der Kahle in seiner neuen Hauptstadt Compiègne bauen ließ, war schon beiden Heiligen gemeinsam geweiht.
In der Histoire de Compiègne (= Geschichte von Compiègne), 1988, S. 47, wird - allerdings mit einem Fragezeichen versehen - davon ausgegangen, dass Karl der Kahle 875 mit den Gebeinen des Cornelius auch die des Cyprian mitbrachte. Insoweit sind jedoch Zweifel angebracht. Der Verfasser konnte bisher keinen Nachweis dafür finden, dass sich jemals Cyprians Gebeine in Rom befunden haben. Es dürfte wahrscheinlicher sein, dass sie direkt von Karthago in Afrika, wo Cyprian nach seiner Enthauptung am 14. September 258 begraben wurde, über Lyon in Südfrankreich nach Compiègne kamen. Erst dort scheinen erstmals die Gebeine von Cornelius und Cyprian zusammengekommen zu sein.
Im Gegensatz zu Deutschland, Belgien und den Niederlanden wird in Frankreich Cornelius nahezu ausschließlich als Beschützer des Viehs verehrt, nicht oder kaum als Patron gegen die Fallsucht/Epilepsie.
Vier Orte nach Cornelius benannt
Offenbar haben vier Orte in Frankreich ihren Namen aufgrund der Cornelius-Verehrung erhalten:
Cornilly – früher Corneliacum genannt - in Contres (Departement Loir-et-Cher) südlich von Blois in der Erzdiözese Bourges. Die Benediktiner-Abtei wurde dort 1087 gegründet. Die Reliquien der hl. Cornelius und Cyprian soll Ende des 11. Jh. ein Kreuzritter erhalten haben. Jedenfalls war Cornelius schon 1185 Patron der Abtei. Die einzelnen Bauten stammen aus dem 12., 13., 15. und 16. Jh. Seit dem 5.12.1984 steht die ehemalige Abtei als historisches Denkmal (Monument historique) unter Schutz, und zwar die Kirche, das Konventsgebäude und der Kreuzgang. Das Anwesen befindet sich heute in Privatbesitz.
Der kleine Ort liegt etwa 4 km westlich von Contres, 1 km nördlich der D 30.
St. Cornier-des-Landes bei Domfront in der Diözese Seez. Cornelius ist dort Patron der Pfarrkirche.
St. Corneille bei Montfort-le-Rotrou/Sarthe in der Diözese Le Mans. Cornelius wurde schon 1220 als Patron der dortigen Pfarrkirche erwähnt.
St. Corneille-au-Bois in der Erzdiözese Soissons. Cornelius ist dort Patron einer Kapelle. Schon 1250 wird erwähnt, dass sie dem Gedächtnis der "seligen Märtyrer Cornelius und Cyprian" (beatorum martyrum Cornelii et Cypriani) gewidmet ist. Offenbar hat hier das nicht fern liegende Compiègne Pate gestanden.
(Corneille ist die französische Form von Cornelius; Cornier und Cornilly dürften regionale Formen sein; auch in Luxemburg spricht man vom heiligen Cornilli).
In einem Repertoire über alte Klöster in Frankreich (L. H. Cottineau, 1936) finden sich ferner drei Namen aus Südfrankreich: Corneilhan bei Bézier (entstanden aus der Bezeichnung Cornelianum), Corneilla-du-Conflent bei Perpignan (ebenfalls entstanden aus Cornelianum) und Corneille (ursprünglich wohl de Cornilliano genannt), heute Teil der Gemeinde Arzens im Kreis Carcassone im Departement Aude.
Zum Erhalt der Keuschheit und bei Bruchleiden
Zwei Besonderheiten in Bezug auf Verehrung und Brauchtum sind bei Prof. Zender aufgezeichnet: Im flämischen Hazebrouck im nördlichsten Teil Frankreichs wurde Cornelius bei Fallsucht und Krämpfen angerufen, von Frauen auch um Erhaltung der Keuschheit. Die Bauern riefen ihn an bei Hühnerkrankheiten. Für Kinder wurden Halsketten gesegnet, die sie dann bis zu einem gewissen Alter tragen mussten.
Im Kloster in Murbach im Elsass war Cornelius Patron einer ehemaligen Kapelle und wird in dem Kloster seit dem 11. Jh. verehrt, der Kult soll schon im 9. Jh. bestanden haben. Seit 1284 wird eine Wallfahrt dorthin erwähnt, seit dem 18. Jh. ist seine Verehrung als Viehpatron nachgewiesen. Heute wird er dort auch bei Bruchleiden angerufen.
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